Dienstag, 20. April 2010

Haken setzen und Weichen stellen

Erstmal:
Haken setzen. Mein persönliches Saisonziel für den 1. FC Köln ist erreicht:
Klassenerhalt. Check.
Das ist großartige, geile Scheisse. Zwei Jahre die Liga gehalten, es geht ins dritte Jahr. Das letzte Mal gab es so etwas am Ende der Saison 96/97, das ist gefühlte zigtrillionen Jahre her. Der Fahrstuhl ist das erste Mal seit dem ersten Abstieg 97/98 verlassen. Vorerst jedenfalls.
Ich weiß noch nicht, ob ich zur nächsten Saison die im Nacken sitzende, ewige Abstiegsangst loswerden kann. Zu sehr bin ich dran gewöhnt, die vorsaisonalen Gedanken mit dem Mantra "Wenn nicht alles perfekt läuft, wird es nichts und dann kommt es knüppeldicke" abzuschließen - ob es nun um Nichtabstieg oder um Aufstieg ging. Zwölf Jahre Konfrontation mit dieser sportlich existentiellen Bedrohung sind eine lange Zeit. Was sich nicht zuletzt daran zeigt, daß ich mich eigentlich noch nicht recht traue, diesen Haken wirklich zu machen, rein rechnerisch ist der Abstieg noch möglich. Aber ich bin mal mutig und machs trotzdem, bei neun Punkten und zwanzig Toren Vorsprung.

Damit wäre dann mein Saisonziel erreicht. Die Saisonziele Zvonimir Soldos lasen sich ein bißchen anders: Mehr Punkte als im Vorjahr, also mindestens 40, "zu Hause eine Macht werden" solle der FC und insgesamt attraktiverer Fußball gespielt werden.
Das erste Ziel kann immer noch erreicht werden, dazu fehlt noch ein Sieg oder drei Unentschieden aus den letzten drei Partien.
Eine Heimmacht hingegen ist der FC wirklich nicht. Der Sieg gegen Bochum am vergangenen Wochenende war erst der dritte dieser Saison aufheimatlichen Grund. Sollte im letzten Heimspiel gegen Freiburg gewonnen werden, so wäre wenigstens die letztjährige, ebenfalls schlechte Heimsiegquote egalisiert. Eine Macht sieht anders aus.

Das liegt vor allem am verkrampften und nur selten funktionierenden Offensivspiel. Und abgesehen von der starken Konzentration auf die defensive Ordnung, die ich hier schon des öfteren besprochen habe, liegt der Grund dafür wohl auch am Personal. Die dafür vorgesehenen Protagonisten Maniche, Novakovic, Podolski sowie ab der Winterpause Tosic harmonieren nicht in einem Maße miteinander, wie es nötig wäre, um ein Abwehrbollwerk hin und wieder auch mal gefährlich werden zu lassen. Das kleinste Problem - und das nicht nur körperlich gesehen - ist dabei Zoran Tosic. Zwar hat er in seinen ersten Spielen für den FC einen zu egoistischen Eindruck hinterlassen, um dem lahmenden Kombinationsfußball auf die Sprünge helfen zu können, doch spätestens seit den beiden Toren gegen Bochum ist klar, dass der Serbe mit andauernder Mannschaftszugehörigkeit auch für das Zusammenspiel ein Gewinn ist.

Den beiden Stürmern Podolski und Novakovic kann man nur bedingt einen Vorwurf machen. "Tore zählen" zum Beispiel, wie es insbesondere im Fall Podolski gerne und genüsslich getan wird, ist wenig sinnvoll, wenn der FC die Mannschaft der Liga mit den geringsten Torchancen ist. Wenn die gesamte Mannschaft nicht in der Lage ist, gefährliche Situationen zu kreieren, haben die Stürmer kaum die Möglichkeit ihre Positionen in der Torjägertabelle zu verbessern. Hinzu kommt, dass Podolski aufgrund des kränkelnden Mittelfeldspiels und seinen Stärken als eher zurückhängende Spitze überall zu finden ist, aber nicht in der Nähe des Tores. Sein unbestreitbarer Wille, unbedingt helfen zu wollen, ist da vielleicht manchmal eher hinderlich, jedenfalls ganz sicher nicht zu eigennützig. Und seine ebenso unbestreitbaren Fähigkeiten im Umgang mit dem Ball werden in der Tat auch im Mittelfeld gebraucht.
Etwas anders ist liegt der Fall bei Millivoje Novakovic, in den letzten beiden Spielzeiten mit insgesamt 36 Toren Vollstrecker Nummer Eins. Durch seine Position in der Sturmspitze in der Regel weit weg vom Spielgeschehen, hat Novakovic wenig Bindung zum Spiel und das Zusammenspiel mit Podolski ist nicht nennenswert. Ein Umstand, den man durchaus der Trainingsarbeit und Taktik Soldos anrechnen kann, aber nicht muß: Zu oft wirkte der Slowene, als wäre ihm sein persönlicher Erfolg wichtiger als das Funktionieren des Mannschaftsgefüges auf und neben dem Platz.

Eine Interpretation, die sicher auch auf das Verhalten des vierten im Bunde, Maniche, zutreffen kann. Vergessen wir Lamborghinis und Stinkefinger gegen Bildzeitungs-"Journalisten": Gemessen an eigenem Anspruch und Auftreten drückt er dem Kölner Spiel zu selten einen Stempel auf, ist zu häufig Mitläufer, zwar selten faul, dafür aber nicht oft genug in der Lage, entscheidendes auf dem Feld zu bewegen. Nur eine Torvorlage steht bislang zu Buche, das ist bei seiner Klasse zu wenig. Die erhoffte Rolle der Schaltzentrale füllt er jedenfalls nicht aus.

Nehmen wir also einmal an, der Abstieg ist in der Tat verhindert und tasten uns vorsichtig heran an die nächste Aufgabe, die der Verein erfüllen muss: Der Kader der nächsten Saison.
Sicher scheinen drei Dinge zu sein:
a) Pierre Womé verläßt den Verein, es muß wohl für Ersatz hinten links gesorgt werden.
b) Die im Raum stehenden fünf Millionen Ablöse für Zoran Tosic kann der FC unter keinen Umständen zahlen.
c) Überhaupt ist nicht mit teuren Transfers zu rechnen, ansonsten würde Wolfgang "Ich lauf Euch noch einen Kracher" Overath kaum wieder und wieder betonen, dass in unmittelbarer Zukunft verstärkt auf die eigene Jugend gesetzt werden soll. Der Verdacht liegt nahe, dass die gemunkelten 2,5 Millionen Ablöse für den frühzeitig getätigten Transfer des rumänischen Stürmers Ionita von den Einnahmen des Halbfinales im DFB Pokal bezahlt werden sollten. Dumm nur, dass der FC Augsburg und Schiedsrichter Kinnhöfer andere Pläne hatten.

Die Jugend soll es also richten. Und da gibt es einige: Adam Matuschyk zum Beispiel, der schon gezeigt hat, dass er mal ein wichtiger Spieler werden kann. Im defensiven Mittelfeld und in der Abwehr Reinhold Yabo und Bienvenue Basala-Mazana. Der bis zur neuen Saison wieder genesene und hoffentlich an seine guten Leistungen anknüpfende Adil Chihi.
Alles schön und gut, die Probleme sind nur zweierlei: Abgesehen von Chihi handelt es sich eher um defensive Spieler und, vor allem, muss bezweifelt werden, dass einer dieser Jungspunde genug Standing haben kann, um den alten Herren die Stirn zu bieten, spielerisch wie menschlich.

Wenn also kein neuer Platzhirsch hinzukommen kann, wird man, so paradox das klingen mag, einen der alten loswerden müssen, um aus dem offensiven Einzelgängertum ein kollektives Zusammenspiel werden zu lassen. Da Tosic sowieso gehen wird (es sei denn, er kann weiter ausgeliehen werden, was aber bezweifelt werden darf), Podolski ganz sicher nicht verkauft werden soll und Maniche erst zu Beginn der Saison kam und vermutlich nicht allzuviele Interessenten haben dürfte, müsste dann wohl die Wahl des Abschieds auf Novakovic fallen. Was schade wäre, hat Novagoal uns in der Vergangenheit doch viel Vergnügen bereitet. In dieser Saison allerdings hat er viel dafür getan, dass sein Abgang verschmerzenswert wäre.

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