The end of the football as we know it (and I don't feel fine)
Ob Punta Arenas im Süden Chiles, ob Budapest, ob Clausthal-Zellerfeld oder Wladiwostok. Ob Kreisliga oder Weltmeisterschaftsfinale, ob arm oder reich: Wo immer 22 Menschen einen Rasenplatz betreten, um miteinander und gegeneinander Fußball zu spielen, tun sie das nach den gleichen, einfachen Regeln. Anstoß, Abstoß, Tor, Ecke, Aus, Foul, Hand, Gelbe Karte, Rote Karte und, als komplizierteste Regel obenauf: Das Abseits. Mehr braucht es nicht, um das weltweit beliebteste Spiel zu spielen.
Noch, jedenfalls. Wenn sich nämlich die durch die Fehlentscheidungen in Südafrika in Aufregung versetzten Hysteriker durchsetzen - und in Anbetracht des Ausmaßes des derzeitigen Regeländerungshype ist das leider wahrscheinlich - so werden wir recht bald das Ende des einfachen, für alle gleichen Fußballs erleben.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Vernachlässigen wir einmal, dass Fehlentscheidungen schon immer zum Fußball gehörten wie Fehlpässe und Fehlschüsse. Vernachlässigen wir auch, dass es nicht mehr Fehlentscheidungen gibt als früher, dass wir sie nur besser sehen.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Das Spiel wird sich drastisch verändern. Es wird Auszeiten geben, taktisch eingesetzte Ruhe- und Ordnungspausen. Warten auf den Videoentscheid, währendessen das Spiel von außen geordnet werden kann, das Maß an kreativer und taktischer Selbstveranwortung sinkt. Der Schiedsrichter wird zu einer Art Sub-Autorität, sein Wort gilt - nicht mehr. Endlose Diskussionen um Situationen, in denen auch ein Fernsehbild nicht weiter hilft - wer nicht nur zu WM Zeiten Fußball guckt, weiß, daß es davon in jedem Spiel genug gibt.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Die einschneidendste Veränderung jedoch wäre die damit manifestierte Einführung des Zwei-Klassen-Fußball. Bei internationalen Turnieren, ob nun auf Vereins- oder Länderebene, wird es die technischen Neuerungen geben, natürlich. In der 1. Bundesliga sicher auch. Für die 2. Bundesliga wird die Montage von Torkameras und Videobeweismonitoren Pflicht werden, wie heutzutage eine Mindestanzahl an Sitzplätzen und die Rasenheizung. Das wird schon schwierig genug. In der 3. Liga, ja ebenfalls Profifußball, gehen die Vereine jetzt schon reihenweise pleite - abgesehen von den 2. Mannschaften der Erst- und Zweitligaklubs wird kein Verein das Geld für den nötigen technischen Schnickschnack übrig haben. Jenseits des Profifußballs? Kein Videobeweis in Clausthal-Zellerfeld, kein Chip im Ball in Leer, keine Torkamera in Selbach bei Gernsbach bei Baden-Baden.
Natürlich, so argumentieren Befürworter, dann gibt es das eben nur im Profifußball. Der aber fängt in Deutschland in der 3. Liga an, und wie ausgeführt, wird kein Drittligaverein sich derlei Mätzchen leisten können. Wer Gegenteiliges behauptet, hat leider nur Ahnung vom Hochglanzfußball und möge schweigen.
Aber selbst wenn wir außer Acht lassen, daß in Deutschland nur Teile des Profifußballs diese einschneidenden Veränderungen mitmachen könnten, wird das Bild wohl Allen klar, wenn wir mal den Blick über die Landesgrenzen hinaus wagen: Schon mal bei einem Zweitligaspiel in Chile gewesen? Bei einem Erstligaspiel in Minsk? Einem zentralamerikanischen Länderspiel? Wenigstens Vorstellungen davon, was dieses Vorhaben bedeuten würde?
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Die technischen Neuerungen werden den Fußball radikal verändern. Nicht nur in jenen, wenigen, Spielen, in denen diese Technisierung und die damit verbundenen massiv modifizierenden Einflüsse auf das Spiel als solches zum Tragen kommen wird. Sondern insbesondere der Unterschied zwischen jenen Spielen und den restlichen Spielen, die jeden Tag auf jedem Erdteil der Welt angepfiffen werden, wird eine für den weltweiten Siegeszug des Spiels ausschlaggebende Grundregel vernichten: Das Spiel ist nicht länger dasselbe, egal wo, wann und von wem es gespielt wird. Es wird einereits Regeln geben und andererseits Sonderregeln, die nur in bestimmten Fällen gelten, nur bei bestimmten Spielen.
Probleme mit dem modernen Fußball? Dann viel Spaß mit dem postmodernen Fußball.
Noch, jedenfalls. Wenn sich nämlich die durch die Fehlentscheidungen in Südafrika in Aufregung versetzten Hysteriker durchsetzen - und in Anbetracht des Ausmaßes des derzeitigen Regeländerungshype ist das leider wahrscheinlich - so werden wir recht bald das Ende des einfachen, für alle gleichen Fußballs erleben.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Vernachlässigen wir einmal, dass Fehlentscheidungen schon immer zum Fußball gehörten wie Fehlpässe und Fehlschüsse. Vernachlässigen wir auch, dass es nicht mehr Fehlentscheidungen gibt als früher, dass wir sie nur besser sehen.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Das Spiel wird sich drastisch verändern. Es wird Auszeiten geben, taktisch eingesetzte Ruhe- und Ordnungspausen. Warten auf den Videoentscheid, währendessen das Spiel von außen geordnet werden kann, das Maß an kreativer und taktischer Selbstveranwortung sinkt. Der Schiedsrichter wird zu einer Art Sub-Autorität, sein Wort gilt - nicht mehr. Endlose Diskussionen um Situationen, in denen auch ein Fernsehbild nicht weiter hilft - wer nicht nur zu WM Zeiten Fußball guckt, weiß, daß es davon in jedem Spiel genug gibt.
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Die einschneidendste Veränderung jedoch wäre die damit manifestierte Einführung des Zwei-Klassen-Fußball. Bei internationalen Turnieren, ob nun auf Vereins- oder Länderebene, wird es die technischen Neuerungen geben, natürlich. In der 1. Bundesliga sicher auch. Für die 2. Bundesliga wird die Montage von Torkameras und Videobeweismonitoren Pflicht werden, wie heutzutage eine Mindestanzahl an Sitzplätzen und die Rasenheizung. Das wird schon schwierig genug. In der 3. Liga, ja ebenfalls Profifußball, gehen die Vereine jetzt schon reihenweise pleite - abgesehen von den 2. Mannschaften der Erst- und Zweitligaklubs wird kein Verein das Geld für den nötigen technischen Schnickschnack übrig haben. Jenseits des Profifußballs? Kein Videobeweis in Clausthal-Zellerfeld, kein Chip im Ball in Leer, keine Torkamera in Selbach bei Gernsbach bei Baden-Baden.
Natürlich, so argumentieren Befürworter, dann gibt es das eben nur im Profifußball. Der aber fängt in Deutschland in der 3. Liga an, und wie ausgeführt, wird kein Drittligaverein sich derlei Mätzchen leisten können. Wer Gegenteiliges behauptet, hat leider nur Ahnung vom Hochglanzfußball und möge schweigen.
Aber selbst wenn wir außer Acht lassen, daß in Deutschland nur Teile des Profifußballs diese einschneidenden Veränderungen mitmachen könnten, wird das Bild wohl Allen klar, wenn wir mal den Blick über die Landesgrenzen hinaus wagen: Schon mal bei einem Zweitligaspiel in Chile gewesen? Bei einem Erstligaspiel in Minsk? Einem zentralamerikanischen Länderspiel? Wenigstens Vorstellungen davon, was dieses Vorhaben bedeuten würde?
Videobeweis, Chip im Ball, Torkamera. Die technischen Neuerungen werden den Fußball radikal verändern. Nicht nur in jenen, wenigen, Spielen, in denen diese Technisierung und die damit verbundenen massiv modifizierenden Einflüsse auf das Spiel als solches zum Tragen kommen wird. Sondern insbesondere der Unterschied zwischen jenen Spielen und den restlichen Spielen, die jeden Tag auf jedem Erdteil der Welt angepfiffen werden, wird eine für den weltweiten Siegeszug des Spiels ausschlaggebende Grundregel vernichten: Das Spiel ist nicht länger dasselbe, egal wo, wann und von wem es gespielt wird. Es wird einereits Regeln geben und andererseits Sonderregeln, die nur in bestimmten Fällen gelten, nur bei bestimmten Spielen.
Probleme mit dem modernen Fußball? Dann viel Spaß mit dem postmodernen Fußball.
spielbeobachter - 29. Jun, 13:08
Deine Sicht verstehe ich,
Linienrichter, vierter Mann, Headsets, Kameras? Gibt's in der Kreisklasse nicht - gekickt wird trotzdem. Manchmal gibt's nicht mal einen Verbands-Schiri. Das Spiel findet trotzdem statt.
Schaffen wir den ganzen Kram jetzt auch für den Profibereich ab?
"Die damit manifestierte Einführung des Zwei-Klassen-Fußball."?
Fakt seit Jahrzehnten. Warum nicht da für ein wenig Gerechtigkeit sorgen, wo es technisch shon lange möglich ist - und nur in solchen Situationen, wo es sinnvoll ist? Nicht bei jedem Foul, jedem Abseits usw., sondern nur bei Szenen, die ein Tor bzw. ein nicht gegebenes Tor zur Folge haben.
Wieviele Spiele würden dadurch länger unterbrochen als durch die sinnlosen Diskussionen, die noch während des Spiels sowieso entstehen?
Aber keine dieser schon vorhandenen Unterschiede benötigen Regeländerungen. Ob der Schiedsrichter nun per Zeichen oder per Headset mit dem Linienrichter kommuniziert oder ob er selbst entscheiden muß, ob der Ball im Aus war, weil kein Linienrichter anwesend ist - die Regeln sind dieselben.
Das ist anders, wenn es um den Videobeweis geht: Da werden Pausen benötigt. Wer legt fest, wann eine gemacht wird? Der Oberschiedsrichter am Rand? Jeder Trainer, wie im American Football, einmal pro Halbzeit, was quasi die Einführung der Auszeit bedeutet und wer z.B. Handball kennt, weiß welche enorme taktische Bedeutung Auszeiten haben?
Ab wann ist eine Szene eine Szene, die zu einem Tor geführt hätte, oder hätte können? Nur wenn der Ball über der Linie war, oder eben nicht? Auch beim Handspiel? Und wenn ja, welche Kamera, welcher Chip legt fest, ob es ein absichtliches Handspiel war oder nicht? Bei Tevez' Abseitstor? Oder bei jeder strittigen Abseitssituation? Bei jeder? Zwanzigmal pro Spiel?
Das Spiel und die Regeln werden sich dadurch massiv ändern. Aber eben nur bei einem Teil der Spiele.
Widerspruch
Ich habe jetzt keine ausgearbeitetes Anwendungskonzept, ich versuche nur zu Erläutern, dass Deine Argumentation oben auf dünnem Holz gebaut ist.
Zu glauben, dass das Spiel daselbe (nur mit besserer Umsetzung der bestehenden Regeln) bliebe, halte ich für maßlos naiv.