Heimspiel

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Verein, Heimat, Identität und der ganze Rest

Eigentlich ist längst alles gesagt, in der von Johannes Schneider im Tagesspiegel unter der etwas reißerischen Überschrift "Ihr seid keine Unioner!" angestoßenen Debatte um Fanidentität im allgemeinen und das Unioner- und Berliner-sein im Besonderen. Sebastian vom Textilvergehen hat sehr lesenswert geantwortet und Frédéric im Zum Blonden Engel auch. Und beide haben nicht unrecht, beide treffen einen Teil des Nagels auf den Kopf, aber eben nur einen Teil. Johannes Schneider hat nämlich gar nicht mal so unrecht. Und das sag ich, zugezogener Berliner und ebenso Zweit-Unioner wie der von Schneider beschriebene J - allerdings mit dem sehr wichtigen Unterschied, dass ich kein Gladbachfan bin. Hehe.

Ich lebe mittlerweile in dieser Stadt länger als ich jemals zuvor in meinen 42 Jahren irgendwo lebte. Knapp, aber doch. Bin ich ein Berliner? Eine Frage der Grenzziehung, eine uralte Diskussion hier in dieser Stadt, die schon immer eine Zuzugsstadt war, jedenfalls in den letzten sagenwirmal hundert Jahren. Meine Heimat zu benennen fällt mir schwer, meine Kölner Wurzeln sind da und werden es auch bleiben, aber eigentlich bin ich inzwischen hier, in Berlin, viel stärker verästelt. Zwischendurch noch zehn Jahre Norddeutschland, Eltern, die durch die deutsche Geschichte und ihre Wirrungen ihre Kinder auch nicht da zeugten, wo sie selbst und ihre Eltern geboren wurden, et voilà, fertig ist die Heimatlosigkeit. Was weitaus dramatischer klingt als es ist. Weil ich es nicht anders kenne.

Ich kenne allerdings Menschen, die dieses Gefühl der Heimatlosigkeit auch empfinden, obwohl sie nie weggezogen sind, oder höchstens von Köpenick nach Prenzlauer Berg. Deren Familie hier seit Generationen in dieser Stadt verwurzelt sind. Menschen, die weltoffen sind und denen es völlig wurscht ist, ob jemand Kölner, Spanier, Sachse, Schwabe oder Türke ist, solange sie sich etwas interessantes zu erzählen haben. Die aber darunter leiden, dass sie im Supermarkt komisch angeguckt werden, wenn sie Berlinern oder in bayrisch angehauchtem Deutsch gefragt werden, ob sie denn kein Hochdeutsch könnten. In Berlin. Oder eben Mühe haben, an einem Auswärtsspieltag eine Kneipe zu finden, die das Union-Spiel zeigt (oder auch: das Hertha-Spiel zeigt), aber keine, eine zu finden, in der Werder oder der Effzeh läuft.

Und was, wenn nun das selbe in der Alten Försterei drohte? Oder, provokanter dahin gesagt, ist das nicht schon längst so? Als ich vor etwas mehr als zehn Jahren begann, die Heimspiele Unions zu besuchen, stellte ich fest, dass ich einen Großteil des Liedguts nicht kannte, noch nie gehört hatte. Das ist inzwischen längst nicht mehr so, auch wenn solche, die von sich behaupten, sie gingen zu Union und nicht zum Fußball, sehr verwirrt gucken, wenn sie feststellen, dass vieles, was in der Alten Försterei gesungen wird auch woanders gesungen wird, nur mit anderem Text ("Haha, hör mal, die singen Union-Lieder" - "Ähm, nein... ").
Dieser schon stattgefundene Wandel hat natürlich in erster Linie mit einem Wandel der Fußballkultur im allgemeinen zu tun (Stichwort Ultras) und weniger mit einem Wandel des Publikums in Köpenick zu tun, aber eben auch. Woher soll so jemand wie z.B. ich die alten Texte kennen?

Klar, ich war in Lovetch beim UEFA-Cup-Auswärtsspiel und in der Oberliga und bin ein Jahr lang in den nahe gelegenen Jahn Sportpark statt nach Köpenick gepilgert. Bin ich also Unioner? Die Antwort darauf ist weder ein klares Nein, wie von Schneider nahegelegt, aber eben auch kein so eindeutiges Ja, wie es Sebastian und Frédéric formulieren und das hat wenig damit zu tun, dass die Mannschaft aus der Domstadt immer noch die Nummer Eins in meinem Fußballherz ist. Sebastian hat völlig recht, wenn er mit den Worten "Heimat ist vor allem Gefühl und Liebe. Und glücklicherweise nicht Herkunft." schließt, und ja, ich möchte das auch für mich in Anspruch nehmen. Aber zu dem Gefühl und der Liebe gehört auch die Sensibilität das Vorhandene zu schützen. Nicht um jeden Preis und nicht gegen den Lauf der Zeit, der Veränderungen so oder so mit sich bringt, aber gegen den Input der eigenen Existenz und zwar dann, wenn sie droht, das vorhandene verschwinden zu lassen. Frédéric bezeichnet Schneiders Heimatbegriff als "museal" und geradezu "sarrazinesk", da er sich allein auf die Herkunft berufe, Heimat sei eine Frage der Wahl - das ist hübsch formuliert und für jemanden wie mich, der ich aus Köln am Rhein stamme oder ihn, der aus Wangen im Allgäu stammt und die wir uns Berlin als Heimat aussuchten auch völlig richtig. Aber was ist, wenn sich jemand die Stadt, in der er geboren und groß geworden ist, als Heimat erwählte und eines Tages vor die Tür tritt und feststellt, dass es diese Heimat gar nicht mehr gibt, und die Sprache dieser Heimat nur scheele Blicke erntet? Welche Wahl hat dieser Mensch?

Sich abfinden und das Gute im Neuen suchen und hoffentlich finden. So (und nur so - soviel zur Wahlfreiheit) funktioniert es im Großen, der Stadt. In einem Fußballverein, zu dem die emotionalen Bindungen womöglich größer, dessen Tribünenzusammensetzung aber keine gesellschaftliche Bedeutung hat, funktionieren die Dinge aber anders. Denn anders als von den Projektierern in Hoffenheim und Leipzig behauptet, spielt Tradition und Herkunft in der Tat eine wichtige identitätsstiftende Rolle als Kit und Mörtel.

Zum Abschluss zwei Dinge: Ich möchte weder im Großen (Stadt) noch im Kleinen (Fußballverein) dem Gewäsch von einer "Überfremdung" das Wort reden, dieses richtet sich nämlich immer gegen Menschen, die ebenfalls keine Wahl haben. Das Verschwinden des alten Prenzlauer Bergs zum Beispiel aber hat damit wenig zu tun, ganz im Gegenteil. Und: Bezogen auf den 1. FC Union Berlin ist diese Debatte eine, die sich wenn, dann auf eine Gefahr aus der Zukunft bezieht, denn in der Gegenwart scheint mir das Publikum in der überwiegenden Mehrzahl noch zu wissen, wo sie sind, warum sie da sind und wie man sich zu benehmen hat. Ohne Klatschpappen und Sitzkissen zu erscheinen zum Beispiel.

Mittwoch, 16. November 2011

Beenden wir die Angst.

Wir sind gerne der Mob. Da oben auf unserer Tribüne, solange die langsam altersschwach werdenden Beine uns noch tragen, stehend, verwandeln wir uns regelmäßig in das Tier namens "Zwölfter Mann". Ein Tier, das sich von unserer Leidenschaft nährt, von unserer Begeisterung und der Bereitschaft für 90 Minuten Grenzen zu überschreiten, die wir normalerweise nicht überschreiten. Ich jedenfalls schreie im Alltag höchst selten erbost auf, wie ich und die anderen Teile des Tiers es tun, wenn der Schiedsrichter falsch pfeift oder Spieler XY den Passweg nicht sieht oder, schlimmer noch, Spieler YX - von denen - einen der unseren foult. Und, ja, einer der Gründe ins Stadion zu gehen, ist auch dieser. Teil des Tiers zu sein.

Aber das geht nur, weil wir wissen, dass wir gar kein Tier sind, sondern Mensch. Weil wir wissen, dass auch die 22 Spieler und die vier Schiedsrichter da unten auf dem Feld Menschen sind. Dass wir uns nach den 90 Minuten den Mund abputzen und in unser normales Leben, in dem ein freundliches Miteinander eine Zier ist, zurückkehren können. Weil auch "das blöde Arsch da mit der Vier" am Ende des Spieles sein Trikot auszieht und wieder Mensch wird und nicht bloß Spieler und heimkehren kann zu seiner Frau oder seinem Mann.

Kann er nicht, letzteres, jedenfalls nicht ohne Angst haben zu müssen und ohne sich verstecken zu müssen. Und das ist unerträglich. Es ist ein immer dräuendes Zeichen des Schande, eine ewig hallende - auch jetzt, in genau diesem Moment - Ohrfeige für uns und unsere Liebe zum Fußball, dass es Menschen gibt, die wichtige Teile ihres Lebens verstecken müssen. Angst haben müssen. Um ihre wirtschaftliche Existenz, um ihre Leidenschaft zum Sport. Angst vor den Konsequenzen haben müssen, Angst haben müssen vor uns. Uns, dem Mob.

Das muss ein Ende haben. Aktion Libero.


Aktion Libero - Sportblogs gegen Homophobie im Fußball


Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Zumindest im besten Fall, für schwule Profifußballer dauert das Versteckspiel ein Leben lang: Keiner wagt es, seine Homosexualität offen zu leben. So schön Fußball auch ist – Ressentiments halten sich in seinem Umfeld hartnäckig.

Ein unerträglicher Zustand! Ob jemand schwul ist, oder rund, oder grün, das darf keine Rolle spielen. Wir alle sollten ein bisschen besser aufpassen – auf unsere Worte, unser Denken, unsere Taten: Die Freiheit jedes Einzelnen ist immer auch die eigene Freiheit.

Wir schreiben in unseren Blogs über Sport, und unsere Haltung ist eindeutig:
Wir sind gegen Homophobie. Auch im Fußball.


Aktion Libero - Sportblogs gegen Homophobie im Fußball

Montag, 7. November 2011

Wundertüte vs. Weiner Bremen und das Verbrechen, ein Fußballfan zu sein.

Das war ein schmerzlicher Samstagnachmittag. Erwartet war ein klassischer Wundertütenauftritt der negativen Art, nach zuletzt anderthalb guten Auftritten war ein Ausreisser nach unten an der Reihe, um dem Gesetz der Nichtserie Folge zu leisten. Es kam nicht so und wurde trotzdem doof.
Stattdessen nämlich spielte der 1. FC Köln gut. Nicht grandios, keinesfalls, schließlich lag die 2:0 Führung zum Halbzeitpfiff auch daran, dass Bremens Stürmer nicht treffen wollten. Den Chancen nach hätte es also zur Halbzeit auch 3:3 stehen können, aber selbst das wäre, gemessen an meinen Erwartungen, noch völlig in Ordnung gewesen. Gehen wir allerdings nach "könnte, hätte, müsste", so hätte Bremen diese erste Halbzeit mit zehn Mann beenden müssen, Sokratis ahndungswerter Bodycheck gegen Peszko - ohne Chance an den Ball zu kommen, im Strafraum, eingesetzt zur Vereitelung einer klaren Torchance - hätte nicht nur Elfmeter nach sich ziehen müssen, sondern auch mindestens die zweite gelbe Karte, und somit gelbrot, für den Griechen bedeuten müssen.
Wie auch immer, Schiedsrichter Weiner entschied anders, wie er in der zweiten Halbzeit so manches anders entschied, als es die Bilder hergaben - Naldos Volleyballbewegungen im Strafraum, die Weiner anschließend zur Schutzhand erklärte, Serenos Trikotzupfer, der in Weiners einsamen Kosmos Elfmeter und glatt Rot bedeutete. Die Behauptung des Express, Werders Manager Allofs hätte Herrn Weiner in der Halbzeit in dessen Kabine besucht, lassen wir an dieser Stelle unbeachtet, solange es dafür keine seriösen Quellen gibt.
Seriöse Quellen gibt es allerdings zuhauf für anderes, welches sich in Bremen ereignete: Demnach mussten sich die Gästefans vor Eintritt in das Weserstadion zu viert oder fünft auf eine Bierbank setzen und sich dann ausgiebig von Sprengstoffspürhunden beschnüffeln lassen, welche auf der Suche nach pyrotechnischen Materialien waren. Ein weiterer niederschmetternder Beweis dafür, dass der gesellschaftliche Paradigmenwechseln von der zu beweisenden Schuld des bis dahin Unschuldigen hin zur Vorverurteilung und deren Umsetzung durch sogenannte Präventivmaßnahmen bereits in erschreckender Weise vollzogen ist. "Fußballfans sind keine Verbrecher" mag, obgleich natürlich richtig, für manchen bislang nach hohler Phrase seitens der für solche mitunter bekannten Ultràs geklungen haben, spätestens durch diese erniedrigende und empörende Behandlung aber wird diese Formel zu einer notwendigen Forderung an die DFB- und DFL-Oberen. Allein: Es fehlt der Glaube, dass deren Realitätsferne überwindbar ist. Man wünscht sich direkt die Herren Rauball, Zwanziger und Konsorten oder wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet, mögen fortan, jedesmal wenn sie ein Kaufhaus verlassen, in dem schon mal ein Ladendiebstahl stattgefunden hat, gründlichsten Leibesvisitationen unterzogen werden. Schließlich gehören sie ja ihrer eigenen Logik nach ebenfalls zu potentiellen Ladendieben und müssen fortan immerfort auch als solche behandelt werden.

Freitag, 5. August 2011

Der FC und die Saison 11/12 - Der Spielbeobachter fragt, Experten antworten

Ich vermute, ich verrate der geschätzten Leserschaft nicht zuviel, wenn ich darauf hinweise, dass an diesem Wochenende die Bundesligasaison 2011/12 beginnt. Dann endlich wird die Zeit für Kaffeesatzleserei, die in Testspielen, Transfers, Trikotschnitten und Trainerzugängen die Zukunft zu finden sucht, ein Ende haben.

Allerdings: Erst dann. Noch waten wir im Ungewissen, getrieben von Vorfreude und Sorge zugleich. Und wie immer suchen wir in Zeiten der unsicheren Zukunft die Hilfe von Experten.

Die Saison 2011/2012 des 1. FC Köln zu prognostizieren fällt schwer. Verwirrt nimmt der gemeine FC-Fan zur Kenntnis, dass sich das Gesicht der Mannschaft kaum verändert hat, ein Zustand, wie er schon lange - auch bedingt durch Auf- und Abstiege - nicht mehr herrschte. Dafür hat sich das Gesicht des Trainers geändert, ein leider altbekanntes Phänomen. Diesmal aber scheint der Wechsel hin zum Norweger Solbakken ein guter gewesen zu sein - oder? Und was ist mit Volker Finke, dem von den Medien offenbar nicht sonderlich geschätzten Architekten des Umbaus - kann er Schwächeperioden überstehen?

Fragen über Fragen. Zeit für Experten. Ich habe einige Effzeh-affine Blogger gefragt, mir bei der Kaffeesatzleserei behilflich zu sein und mir zu von mir vorgebenen Stichworten ein paar Sätze zu schenken. Andre vom Spielfeldrand, Stefan von der Südtribüne, der vierte Offizielle Axel, Guido com FC-Blog, Quarkbällchen aka Saskia (FC-Content findet sich bei Ihr eher auf Twitter) und das fcbuch waren so überaus freundlich mir zu antworten. Dabei wird deutlich, dass das allgemein bekannte Bild des permanten in irgendwelchen Wolken schwebenden und von Champions League Siegen träumenden FC-Fan 1:1 der Wirklichkeit entspricht. Oder auch nicht. Lest selbst:

Die Saison 11/12 wird für den 1. FC Köln...
Spielfeldrand: ...ein Auf und Ab, mit hoffentlich einigen schönen Spielszenen, taktischer Disziplin und einem zeitigen Klassenerhalt.
fcbuch: ...wie immer turbulent und total anders als wir das uns alle erwarten.
fc-blog: ...eine hoffentlich ruhige Saison, in der die zukünftige Richtung
konkretisiert wird.
Quarkbällchen: ...eine sehr entspannte. Ich denke, dass wir relativ früh die 40 Punkte zusammen haben und dann ganz entspannt nach oben blicken können. Der Tabellenplatz: Einstellig. Mit der rosaroten FC-Brille schiele ich ja immer noch auf Platz 6, aber das ist eher Wunschdenken. Mit Platz 8 könnten alle zufrieden sein.
Südtribüne: ...ein kleiner Schritt nach vorn.
Der Vierte Offizielle: ...erfolgreich. Es kommt die Zeit der kleinen aber wichtigen Schritte, die diesem Verein über Jahre nicht gelungen sind. Auch wenn am Ende keine bessere Plazierung als in der Vorsaison herauskommen sollte, wird man Verbesserungen im Spiel sehen und fröhlich an 2013 denken.

Die personelle positive Überraschung im FC Kader wird diese Saison:
Spielfeldrand: ...Lukas Podolski, weil ihm ohne Binde Lustlosigkeit zugesprochen wird und er am Saisonende bester Vorlagengeber der Liga wird.
fcbuch: ...seit wann gibt es positive Überraschungen beim FC? Mir tun die Jugendspieler wie Clemens und Matuschyk leid, weil sie unter Solbakken wahrscheinlich (zu) wenig Einsatzzeiten bekommen werden.
fc-blog: ...hoffentlich das Kollektiv werden. Daneben wünsche ich mir einen Sprung von Uth oder Kialka als ernstzunehmende Alternative im Sturm.
Quarkbällchen: ...Mato Jajalo. Bei ihm ist der Knoten mit seinem Tor im letzten Spiel der letzten Saison gegen Schalke geplatzt. Das zeigte er auch erneut im Spiel gegen Wiedenbrück. Ich denke, an dem Jungen werden wir noch viel Spaß haben. Über Podolski, Rensing und Novakovic muss ich nichts sagen, die haben ihre Klasse oft genug bewiesen.
Südtribüne: ...Miso Brecko
Der Vierte Offizielle: ...Mato Jajalo, weil er den Sprung zum absoluten Leistungsträger schafft und uns fast vergessen lassen wird, dass wir keinen wirklichen 10er in der Mannschaft haben.

Lukas Podolski wird:
Spielfeldrand: ...einer der stärksten Spieler der Liga und Schürrle aber sowas von in den Schatten stellen, um Wochen nach Saisonende in seiner Heimat Europameister zu werden.
fcbuch: ...den FC nach der Saison leider verlassen, wenn der FC nicht zum Überraschungsteam der Liga aufsteigt.
fc-blog: ...es dem Mediengetön schon zeigen und eine gute Saison spielen, Binde hin oder her.
Quarkbällchen: ...alle überraschen und sich im Vergleich zur letzten Saison noch steigern. Ich denke, dass der Trainer für ihn genau das richtige ist.
Südtribüne: ...nicht Torschützenkönig, aber eine gute Rolle spielen.
Der Vierte Offizielle: ...weiter wichtig für den 1.FC Köln sein und unter dem neuen Trainer aufblühen. Auch ohne Binde.

Ståle Solbakken ist:
Spielfeldrand: ...ein extrem guter Trainer, mit klaren Vorstellungen und einer konsequenten Art. Hoffentlich ein Trainer, der in Köln auch mal etwas Zeit erhält, sein Konzept zu entwickeln und zu verwirklichen.
fcbuch: ...ein guter Trainer. Eine Eigenschaft, die alleine nicht ausreicht, um in Köln erfolgreich zu sein.
fc-blog: ...neben Volker Finke das Beste, was dem FC passieren konnte. Kriegt diese Konstellation von Fans und Medien genügend Zeit, kann die nächste bis übernächste Saison schon ganz anders (erfolgreicher) laufen. Gut Ding will Weile haben.
Quarkbällchen: ...hoffentlich der Trainer, mit dem wir mal in Ruhe ein paar Jahre arbeiten können. Wenn er nur ansatzweise das in Köln schafft, was er in Kopenhagen erreicht hat, sind wir schon mal einen ganzen Schritt weiter.
Südtribüne: ...der beste Trainer, den der 1. FC Köln haben konnte.
Der Vierte Offizielle: ...ein junger, moderner, ballorientierter Trainer, der in Köln zu einer absoluten Kultfigur werden kann. Nebenbei glaube ich persönlich, dass er das Beste ist, was dem effzeh seit langer, langer Zeit widerfahren ist.

Die umfassende Neuausrichtung des Vereins unter Volker Finke:
Spielfeldrand: ...ist der richtige, weil notwendige Schritt.
fcbuch: ...muss für Finke selber nervlich die Hölle sein. Ein kleiner Fehler, und er wird zerrissen. Bleibt zu hoffen, dass sich das irgendwann alles zu einem guten Ganzen fügt!
fc-blog: ...war absolut nötig. Halten Overath und Co sich endlich mal raus aus dem alltäglichen Geschäft, kann er auch in Ruhe weiterarbeiten.
Quarkbällchen: ...ist genau das, was dem Verein in den letzten Jahren gefehlt hat. Ich bin der Meinung, dass VF bis jetzt (fast) alles richtig gemacht hat. Nehmen wir die Vertragsverlängerung von Sanou mal da raus, so finde ich, dass er einen guten Job macht. Er hat es endlich geschafft, einen großen Teil unserer Talente zu verleihen, hat die Mannschaft auf der letzten Saison zusammengehalten und dann einen Spieler wie Sascha Riether verpflichtet. Ich glaube, dass VF ein klares Konzept hat und genau weiß, wo er hinwill. Wenn die neue Saison gut verläuft, hat er alles richtig gemacht und die ganzen Kritiker werden - hoffentlich - mal leiser.
Südtribüne: ...bringt den FC zurück in die Nähe dessen, was Franz Kremer mit dem Verein vorhatte und was unter dümmlicher Kölschtümelei verloren gegangen ist.
Der Vierte Offizielle: ...tut Not und manchmal weh.

Meister wird:
Spielfeldrand: FC Bayern München
fcbuch: ...langweilig, aber wohl Bayern
fc-blog: ...Bayern München, sonst platzt dem Hoeness der Schädel
Quarkbällchen: ...nach einem schwierigen Start trotzdem der FC Bayern München. Wenn Robbery fit ist, sollten die kaum zu schlagen sein.
Südtribüne: ...Keine Ahnung. Die Mannschaft mit den meisten Punkten?
Der Vierte Offizielle: ...natürlich der FC Bayern.

Absteigen müssen:
Spielfeldrand: ...die zwei Letzten und gegebenenfalls noch der Drittletzte. Es wird mal wieder mächtig eng da unten. Augsburg hat wohl keine Chance. Aber auch Freiburg, Lautern und selbst Hannover sollten sich mal nicht so sicher sein.
fcbuch: ...Wunschabsteiger sind: Gladbach, Lautern und Wolfsburg
fc-blog: ..Augsburg und Freiburg
Quarkbällchen: Diese Saison finde ich es ganz schwer, mich auf 3 Mannschaften zu fixieren. Augsburg wird da unten drin sein. Hinzu kommt Mainz, die es nach den Abgängen von Schürrle, Holtby und Fuchs extrem schwer haben werden. Bremen muss ebenfalls aufpassen. Und ob Freiburg und Nürnberg nochmal so eine gute Saison spielen werden, bleibt abzuwarten.
Südtribüne: ...wenn es einen Gott gibt: Leverkusen, Hoffenheim, Wolfsburg (auf das Derby gegen Gladbach wollen wir ja letztendlich doch nicht verzichten, oder?)
Der Vierte Offizielle: Augsburg, Mainz05 und der SC Freiburg (wobei der SC erst in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf scheitert).


Da scheinen sich die Herren und die Dame Experten doch einigermaßen einig zu sein, nur fcbuch scheint die Zukunft ein wenig düsterer zu sehen als der Rest. Eine Saison kleiner Schritte unter dem sportlichen Führungsduo Solbakken und Finke, deren Arbeit zwar positiv gesehen wird, die allerdings mit dem Damoklesschwert der Ungeduld des Umfeldes leben müssen. Unter dem Strich scheinen jedoch fast alle positiv gestimmt, ohne in den FC-Fans gerne angedichtete Euphorie zu verfallen. Sollte dies ein repäsentatives Meinungsbild sein, so stellt sich die Frage ob diese Ungeduld nicht eine Art von Self-Fulfilling Prophecy ist.

Und Bayern wird Meister. Hauptsache nicht Leverkusen.


Ich danke allen Beteiligten!

Mittwoch, 20. Juli 2011

Sag mal, Kicker,

können wir uns darauf einigen, dass nicht Dein Ziel sein kann, auf dem journalistischen Niveau, oder besser gesagt: Nicht-Niveau der Bild-Zeitung und des Express herum zu krebsen? Dass sowohl die sprachliche als auch intellektuelle Messlatte, die es zu überschreiben gilt, in weit luftiger Höhe liegen sollte, will man für Euch den Griffel schwingen? Ja? Ich mein, so sonderlich viel verlangt ist das ja nicht, das ist, um mal ein sportliches Bild zu bemühen, ja ungefähr so, als erwarte man von einer Fußballmannschaft, die in der ersten Liga spielen möchte, dass sie sich sportlich besser präsentiert als eine Mannschaft aus der untersten Kreisklasse. Das sollte doch hinzukriegen sein, oder?

Dann allerdings hab ich eine Frage. Ihr habt Euch ja nun, analog zu Bild Köln, Express und Kölner Stadt-Anzeiger, des "Binden-Kriegs" beim 1. FC Köln angenommen. Ihr gestattet, dass ich kurz jenen Lesern meines Blogs, die sich nicht mit Kölner Belanglosigkeiten beschäftigen, kurz erkläre, worum es geht? Danke.

Der neue Kölner Trainer Ståle Solbakken hat schon bei seinem Arbeitsantritt in Müngersdorf kundgetan, dass er sich bis zum Pokalspiel gegen Wiedenbrück die Zeit nehmen wird, erst einmal die Mannschaft kennenzulernen, bevor er festlegt, wer Kapitän ist. Im Kontext seiner bisherigen Handlungen und Äußerungen ein durchaus stimmiger Akt, der Mann scheint viel Wert auf Kommunikation zu legen. Die Entscheidung, wer auf dem Feld sein verlängerter Arm ist, ist durchaus eine taktische, dies kombiniert, dass er eben in der Tat erst das Mannschaftsgefüge kennen lernen muss, alles also keine große Sache.

Naja, doch. Jedenfalls, wenn man Bild und Express glaubt, ein Fehler, den leider immer noch viele Menschen täglich und deutschlandweit machen. Seit ungefähr zwei Wochen vergeht kein Tag, an dem dieser banale Umstand nicht genutzt würde, um einen neuen, möglichst niveaulosen und peinlichen Artikel zu schreiben. Schmerz- und lachhaft, aber gut, sollen die Kinder halt spielen, wir Erwachsenen müssen uns darum ja nicht weiter kümmern. Solange sie sich um solche Banalitäten kümmern, können sie wenigstens nichts Wichtiges kaputtmachen.

Dass Du, lieber Kicker, dann auch auf den fahrenden Zug aufspringst und die Kapitänsfrage ansprichst, ist ja auch gar nicht schlimm. Da kann man ja tatsächlich mal ganz sachlich drüber reden, welche Aufgaben ein Kapitän im System Solbakkens denn spielt und wer taktisch, sportlich und aus mannschaftsinterner Sicht dafür in Frage kommt. Kann man machen.

Aber dann ist da ein Satz über den bisherigen Bindenträger Podolski, der so ungeheuer schmerzhaft ist, lieber Kicker, dass ich nur hoffen kann, dass derjenige, der ihn verbrach, geohrfeigt wurde und mit lebenslangem Berufsverbot versehen wurde. "Podolski soll beobachtet worden sein, wie er das Stückchen Stoff am Oberarm des 22-Jährigen argwöhnisch beäugte". (Der 22-Jährige ist Kevin Pezzoni, der bei einem Testspiel Kapitän war). KICKER! Hallo? Jemand zu Hause? Soll beobachtet worden sein, wie er eine Kapitänsbinde argwöhnisch beäugte? Ich mein.. also... mit einer Antwort kann ich wohl nicht rechnen, da Du verständlicherweise gerade in der Ecke sitzt und vor Scham heulst.. aber - das wirst Du doch wohl hoffentlich nicht ungestraft durchgehen lassen?

Freitag, 15. Juli 2011

Eine Erfolgsmeldung und ein neues Rätsel.

Vor fast anderthalb Jahren fragte ich einen mir unbekannten Leser meines Blogs, ob er mir vielleicht - im Gegenzug zu der Beantwortung einer von ihm gestellten Frage - helfen könne. Ich vermisste das Bild, welches von mir eigenhändig aus dem Kicker ausgeschnitten war und lange an meiner Pinnwand hing und Spieler des 1. FC Köln in München zeigte, die Polonaise tanzend ihren Sieg feierten. 1998 war dies, allerdings brachten die 3 Punkte auch nichts, denn am Ende der Saison stand bekanntermaßen der erste Abstieg. Irgendwann war es dann weg, das Bild und ich hatte keine Ahnung, wo es verschwand.

Das Rätsel hat eine Lösung gefunden, in einer staubigen Kiste fand ich es im Zuge einer kleinen Renovierung, Dirk Schuster, Karsten Baumann, Bodo Schmidt, Rene Tretschok, Dorinel Munteanu und Thomas Cichon trugen hübsche Trikots und das strahlende Lächeln des Überraschungssiegers auf den Lippen.



Schön, nech?

Außerdem fand ich noch anderes: Diesen Aufkleber zum Beispiel. Ein antikes Stück, wie man unschwer erkennen kann. Aber wie das so ist, mit den Rätseln unseres Lebens: Kaum ist eines gelöst, kommt schon das nächste daher - Was mach ich bloß mit diesem formschönen Aufkleber? Aufkleben? Klebt der überhaupt noch? Und wäre es nicht zu schade, den irgendwo hin zu kleben? In circa zwanzig Jahren ist der doch bestimmt drölf Fantastilliarden wert. Fragen über Fragen.

Donnerstag, 28. April 2011

Geschichte wird gemacht: Die Causa Finke

Es ist immer die Frage, wie eine Geschichte erzählt werden soll. Was erzählt werden soll und was nicht. Und nicht zuletzt, was der Leser aus den Worten für eine Geschichte herausliest, auch er agiert als Autor.

Die Geschichte rund um den Rücktritt Frank Schaefers als Cheftrainer des 1. FC Köln ist klar und eindeutig, glaubt man den Zeitungen und einem nicht geringen Teil der Fans in Foren und Blogs. Der aufrichtige Herr Schaefer, durch Indiskretionen und Intrigen aus dem Amt gemobbt von Sportdirektor Finke, der es schlußendlich erfolgreich schafft, Schaefer aus dem Amt zu vertreiben und es selbst zu übernehmen, weil er es nicht lassen kann, Trainer zu sein, weil er zu machthungrig ist, um jemanden neben sich zu dulden.

Eine einfache Geschichte, so könnte man glauben. In ihrer scheinbaren Einzigartigkeit aufsehenserregend und "typisch Köln", aber eben: Einfach.

Spätestens der zweite flüchtige Blick macht die ganze Geschichte allerdings weniger eindeutig und nährt Zweifel daran, ob diese Geschichte so richtig erzählt ist.

Die Geschichte beginnt, jedenfalls für den außenstehenden Beobachter, Mitte März. Genau genommen am 18. März, da nämlich erscheint im Kölner Stadtanzeiger ein Interview mit FC Geschäftsführer Claus Horstmann. In den zurückliegenden wilden Zeiten mit Meier, Overath und Daum gilt Horstmann bei Presse und Fans als der Gute, der weder Intrigen spinnt, noch ohne Weitsicht agierend einzig am kurzfristigen Erfolg interessiert ist. Ein Ruf, der sich spätestens am 18.03. erledigt hat. In jenem Interview nämlich erzählt Horstmann, Schaefer habe "hier in den vergangenen Monaten wirklich eine Visitenkarte abgegeben und mehr geleistet, als man erwarten konnte", ein Gespräch darüber aber, ob Schaefer über die Saison Cheftrainer bleiben werde, werde erst nach Klassenerhalt geführt. So sei es verabredet, so ist es - dies steht nicht im Interview, wurde allerdings vom Trainer bis dahin schon mehrfach in anderen Interviews erwähnt - von Schaefer selbst gewünscht. Kein aufsehenserregendes Interview also, es wird wiederholt, was alle wissen. Geführt wurde es übrigens von Karlheinz Wagner.

Was allerdings nicht in diesem Interview steht, erfährt der Leser in der Überschrift: "Kein Bekenntnis zu Schaefer" heißt sie. Und damit der Leser mit dieser Überschrift nicht so alleine dasteht, werden ihm noch gleich zwei Artikel an die Seite gestellt, denen er entnehmen kann, "ohne Not hat der 1. FC Köln zum Spekulieren aufgerufen" durch das "bizarre Spiel der FC Führung". Ein Kriegsschauplatz wird eröffnet.

Doch das Thema beruhigt sich wieder. Grund dafür ist vor allem eine historische Heimsieg Serie, sieben Siege zu Hause in Serie, vom 16. bis zum 28. Spieltag ist der FC auf heimatlichem Grund unschlagbar. Dieser Heimserie steht allerdings die Auswärtsserie gegenüber: Im gleichen Zeitraum gewinnt der FC in der Fremde kein Spiel, gewinnt 2 glückliche Punkte von 21 möglichen bei 5 zu 21 Toren (die später folgende Niederlage in Wolfsburg nicht miteinberechnet). Trotzdem wachsen Schaefers Sympathiewerte in den Himmel, es braucht nicht viel um zu erkennen, dass die ganze Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte, wären die Siege in der Fremde und die Niederlagen vor heimischen Publikum geschehen.

Vorbei mit der Ruhe ist es spätestens einen Monat nach jenem Horstmann Interview. Die Bild Köln, es wird gemunkelt, sie sei Präsident Overaths bevorzugter Kommunikationskanal, berichtet am 11. April plötzlich vom Zögern des Volkshelden bezüglich eines neuen Vertrages. Grund sei dessen sensible Art und die Belastung, die das Fulltime- und Showgeschäft Bundesliga mit sich bringe.

Und in der Tat: In seiner Zeit als Cheftrainer fällt Schaefer positiv auf. Weil er anscheinend das Wort Show sehr klein schreibt. Weil in seinen punktgenauen Analysen deutlich wird, wie sehr er Fußball lebt und denkt. Weil er sich selbst nie in den Vordergrund stellt, sondern immer nur den Klub. Und weil er vom ersten Tag an offen sagt, dass er nicht weiß, ob dieses Geschäft das richige für ihn sei und sich eine Rückkehr zu der U23 sehr gut vorstellen könne. Aufrichtigkeit und Unaufgeregtheit sowie eine hohe Fachkompetenz sind von Anfang an die medialen Zuschreibungen.

Am nächsten Tag erscheint in der Bild ein weiterer Artikel, in dem der späte Entscheidungspunkt erstmals als problematisch dargestellt wird. Mittlerweile hat der FC der 2:6 Klatsche beim HSV ein 1:5 Debakel beim niederrheinischen Nachbarn folgen lassen und spätestens jetzt ist allen klar, dass die Entscheidung über den Klassenerhalt nicht allzu bald fallen wird.

Einen weiteren Tag darauf, auch in der Bild: Auftritt Finke. Ab hier wird es schwierig, die Vorgänge so objektiv wie möglich zu beschreiben, da alles weitere der Interpretation des lesenden Autoren unterworfen ist. So vorsichtig formuliert wie möglich: In einem Interview mit der Kölner Ausgabe der Zeitung mit den vier großen Buchstaben erklärt Finke, warum es Schaefer offenbar schwer falle, sich stante pedes für den Cheftrainerjob in der Bundesliga zu entscheiden, sondern nicht nur bis zum Klassenerhalt mit einer Entscheidung warten wolle, sondern über den glücklichen Tag des Ligaverbleibs hinaus eine weitere Bedenkzeit brauche: Dies liege nicht begründet in branchenüblicher "Alters- und Planungskarriere", sondern in der "privaten, grundsätzlichen Lebenseinstellung" Schaefers, in der dessen religiöser Glaube ja eine große Rolle spiele.

Auf den ersten Blick läßt dieses Interview zwei miteinander konkurrierende Interpretationen zu. Die Finke-freundliche liest sich so: Der Sportdirektor versucht Dampf aus dem sich zunehmend erhitzenden Kessel der Vertragsverlängerungsfrage zu nehmen, in dem er die besonderen Entscheidungsumstände Schaefers erläutert. Warum zögert der von den Massen geliebte und sportlich trotz der bodenlos schlechten Auswärtsbilanz durchaus erfolgreiche Trainer so lange damit, seinem Verein Planungssicherheit zu verschaffen? Einen dementsprechenden Vertrag hat er offenbar seit einem halbem Jahr vorliegen. Es liegt, so kann man das Finke Interview durchaus lesen, an der Kehrseite der Aufrichtigkeit und Authentizität Schaefers, die eben für die branchenübliche Gier nach Geld, Ruhm und Macht keinen Platz lasse in den Prioritäten Schaefers, sondern stattdessen Hand in Hand mit religiös motivierter Demut gehe.

Dies ist, wie gesagt, eine mögliche Interpretation und sie interpretiert Finkes Worte zu Gunsten des Sportdirektors. In der weiteren medialen Begleitung kommt sie nicht vor.

Stattdessen erscheint noch am selben Tag im Kölner Stadtanzeiger ein Kommentar Karlheinz Wagners, der Finkes Argumentation "äußerst bizarr" nennt. "Die mehrfache und explizite Betonung dieses hochprivaten Details aus Schaefers Vita in diesem Kontext klang wie die vorweggenommene Begründung für das bevorstehendes Ende der Zusammenarbeit." - der Mythos vom Trainerstuhlsägenden Finke ist geboren. Ein Tag später stellt auch Stephan von Nocks im Kicker (Print) die Frage, ob die Thematisierung von Schaefers Glauben durch Finke richtig war und fragt ob der Trainer dadurch nicht in die "Schublade des Predigers" gesteckt würde, die ihm die Glaubwürdigkeit nehme. Darüber hinaus mische sich, und es entsteht ein weiterer Baustein im Bild des Schurken Finke, der Sportdirektor in das Training ein, so rufe er schon mal Anweisungen von seinem Beobachterposten an den Bande ins Feld. Bei einer Videoanalyse habe er das Wort ergriffen.

Dinge, die Trainer Schaefer nicht stören, glaubt man seinen öffentlichen Aussagen. "Frank Schaefer ist tief enttäuscht" lautet zwar die Überschrift eines Interviews des Kölner Stadtanzeigers mit dem Trainer am 16.04., und aufgrund der Unterüberschrift scheint sich die Aussage der tiefen Enttäuschung auch auf Finke und dessen Äußerungen zu beziehen, im Interview selbst liest sich das allerdings anders: "Volker Finke hat versucht, die Beweggründe besser einzuordnen. Aber es herrscht eine Diskrepanz zwischen seinem Antrieb und den Dingen, die später daraus gemacht wurden." Über Finkes Einmischungen sagt er: "Aus Trainersicht ist es immer wichtig, sich auszutauschen. Es passiert immer, dass Ansprachen von anderen gehalten werden. Man verbrennt sonst, wenn man fünf-, sechsmal die Woche zur Mannschaft redet." und zum allgemeinen Verhältnis zwischen Sportdirektor und Trainer: "Wir haben ein intensives, vertrauensvolles und ehrliches Verhältnis und sprechen über alles."
Die tiefe, titelgebende Enttäuschung hingegen rührt aus der Tatsache, dass immer wieder, wie schon seit Jahren Interna die Kabine verlassen und sofort beim nächstbesten Journalisten landen.

Es wird allerdings bei fortschreitender Geschichte Schaefers Worten immer weniger Glauben geschenkt. Schaefer will, so hat er in der Tat immer wieder betont, bei einer potentiellen Demission vom Cheftrainerstuhl gerne weiter als U23 Trainer arbeiten, und würde dies natürlich auch unter Sportdirektor Finke tun, dem er also tunlichst nicht gegen das Schienbein treten solle und wolle. Die Diskrepanz zwischen der ehrlichen und aufrichtigen Authentizität Schaefers, die eine Beschäftigung im Haifischbecken Bundesliga mit all seinen Lügen und Intrigen unmöglich macht einerseits und der angeblichen Bereitschaft Schaefers wieder und wieder unverfroren zu lügen, wenn es um das Verhältnis zu Finke und um die Motive für seinen Rückzug geht, nur um seinen Job bei der U23 zu retten andererseits - diese Diskrepanz findet in der weiteren Geschichte keine Verwendung, sie wird stillschweigend hingenommen und nicht weiter thematisiert, da die stattdessen erzählte Geschichte von Finkes Mobbing ansonsten nicht stimmig ist. Nur wenn Schaefers wiederholte und expliziten Äußerungen über das Verhältnis zu Finke Lügen sind, um seinen vergangenen und zukünftigen Job zu sichern, kann sie funktionieren. Nur wenn diese Lügen nicht beleuchtet werden, kann Schaefer weiter der Gute sein.

Dass sich Finkes Eingreifen in die Videoanalyse später als ein Fall entpuppt, in dem ein älterer Spieler Schaefers Ausführungen über einen ihm vom Trainer vorgeführten Fehler im Spiel ignoriert und von Finke aufgefordert werden muss, dem Trainer Ohr und Aufmerksamkeit zu schenken, fällt vollkommen unter den Tisch. Es wirft ein schlechtes Licht auf die Mannschaft und auf die Beschaffenheit von Schaefers Autorität, aber keines auf Finke. Offenbar ein unbrauchbarer Teil der Geschichte.

Fortan jedenfalls werden die Vorgänge unter dem Begriff "Demontage" zusammengefasst. "Finkes Nadelstiche" haben den Trainer "zermürbt", dessen unüblicher Wunsch, nach gelungenem Klassenerhalt eine Auszeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, ob er dem FC weiter als Cheftrainer zur Verfügung stehen möchte, hingegen keine Rolle mehr spielt. Als Schaefer schließlich nach der Heimniederlage gegen Stuttgart vorzeitig verkündet, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen, sondern ins zweite Glied zurück zu wollen, ist für Presse und weite Teile der Fans der Schuldige gefunden, bevor untersucht werden kann, ob es überhaupt eine Schuld gibt: Finke.

Dabei wird gerade seitens der Fans gerne außer Acht gelassen, warum Volker Finke überhaupt beim Verein ist und was seine Aufgabe dabei ist: Er ist kein fußballahnungsloser Manager wie Meier, seine Aufgabe ist es, dem Verein eine sportliche Linie, ein Konzept zu geben und dieses durchzusetzen. Diese in den Herbststürmen, als die Mitglieder dem Vorstand nach Jahren der kurzfristig gedachten Stümperei die Entlastung verweigerten, immer wieder vehement geforderte Besetzung einer Leerstelle in der grundsätzlichen Struktur des Klubs spielt in den festzementierten Interpretationsangeboten der Medien und den Interpretationsannahmen der Fans keine Rolle mehr. Finke sei daran interessiert, dass auf dem Trainerstuhl jemand sitze, der ihm kein Kontra in der sportlichen Ausrichtung gebe. Dies ist als Vorwurf gemeint, was absurder kaum sein kann - ein Sportdirektor, der dieses Ziel nicht verfolgt, ist sein Geld nicht wert.

Spätestens seit Schaefers endgültigem und sofortigem Rücktritt am gestrigen Mittwoch ist Finke reif für den vollständigen Beschuß. Dass er den Trainerposten für die kommenden drei Spiele übernommen hat, werfen ihm zwar selbst seine schärfsten Kritiker nicht vor, wenn auch nur zähneknirschend, da es in der Tat die sinnvollste Vorgehensweise zu sein scheint. Dafür aber öffnen Karlheinz Wagner via Kölner Stadtanzeiger bzw. Frankfurter Rundschau und Stephan von Nocks via Kicker (Print) aber die Schatulle des Vertraulichen. "Vertraulich", so Wagner, habe Finke Zweifel an Schaefers Arbeit geäußert, Zweifel, die die Mobbing-These stützen ebenso wie das äußern dieser gegenüber Journalisten. Allerdings darf man fragen, wie weit vertrauliche Äußerungen öffentliches Mobbing sind. Und ob dieser Vorgang, dass nämlich in informellen und vertraulichen Gesprächen Informationen an Journalisten fließen, die da nicht unbedingt hingehören alltäglich ist. Und ob der Vorgang, dass diese vertraulichen Informationen dann in der Zeitung landen, nicht ziemlich ungewöhnlich ist.
Stephan von Nocks hingegen beendet seinen Artikel über die Interna am Geißbockheim mit dem Zitat des Skykommentators vom vergangenen Sonntag beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg, welcher für große Heiterkeit in der FC-Kneipe, in der ich weilte, sorgte: "Erst seit Volker Finke im Klub ist, ist die Unruhe wieder zurück. Das ist Fakt" - Lieber Skykommentator, lieber Herr von Nocks, ich glaube, eine Trainerentlassung, eine Managerentlassung sowie eine Nichtentlastung des Vorstandes vor Finkes Engagement sowie fünf der sieben Heimsiege nach Finkes Eintreffen stützen diese abenteuerliche These der Oase der Ruhe, in die Finke seit dem ersten Tage Unruhe brachte, nicht.


Manch einer mag mir diesen Artikel als Verteidigung Finkes auslegen, und auch wenn ich zugeben muss, dass ich die Verpflichtung Finkes als Sportdirektor nach wie vor positiv sehe, er ist so nicht gemeint. Ich weiß nicht, welche Dinge intern besprochen werden, im Gegensatz zu den erwähnten Journalisten habe ich keine Standleitung zu Spielern oder Trainern und werde auch nicht von Volker Finke angerufen, wenn er etwas klären möchte.

Ich lese allerdings eine Geschichte, die auf Biegen und Brechen stimmig gemacht wird und die auf recht einfache Art und Weise Schwarz-Weiß malt.
Ich halte es durchaus für möglich, dass Finke in seiner Funktion als Sportdirektor zu dem Schluß gekommen ist, dass Schaefer - im Gegensatz zu meinem Eindruck des Trainers - nicht der richtige ist, um die Mannschaft auch über den Sommer hinaus zu führen. Wenn dem so war, so gehört es natürlich zu seinen Aufgaben, dem entgegen zu steuern, wenn auch nicht öffentlich, aber durchaus gegen den potentiellen Widerstand aus der Anhängerschaft oder der Presse. Andererseits kann ich mir genauso gut vorstellen, dass Teile der Kölner Presse frühzeitig festgestellt haben, dass Volker Finke schwieriger zu nehmen ist, als sie es gewohnt sind. Der blindwütige Eifer jedenfalls, mit dem sie agiert, macht solche Gedanken greifbar.

Aber: Ich weiß weder das eine noch das andere und ich lese und höre wenig, was mich überzeugt, die eine oder die andere Geschichte vorbehaltlos zu glauben. Und Geschichten sind es allemal.

Montag, 11. April 2011

Debakel.

Ich muss da erst noch drüber nachdenken.
Wenn ich fertig bin mit nicht mehr dran denken.

Montag, 4. April 2011

Die Serie

Die beste Heimsiegserie aller Zeiten:

09. Spieltag 1. FC Köln - Borussia Dortmund 4:1 (2:0)
11. Spieltag 1. FC Köln - Hertha BSC 3:1 (1:0)
13. Spieltag 1. FC Köln - TSV 1860 München 6:2 (4:0)
15. Spieltag 1. FC Köln - 1. FC Kaiserslautern 4:1 (1:1)
17. Spieltag 1. FC Köln - FC St. Pauli 4:1 (1:1)
18. Spieltag 1. FC Köln - Fortuna Düsseldorf 1:0 (1:0)
21. Spieltag 1. FC Köln - FC Bayern München 2:0 (0:0)
23. Spieltag 1. FC Köln - 1. FC Saarbrücken 3:1 (1:0)
25. Spieltag 1. FC Köln - Hamburger SV 6:1 (1:0)

Nur noch zwei. Wenn der 1. FC Köln erstmal neun Heimspiele in Serie gewonnen hat, wird er wieder Meister, wie damals.





Okay, weit abgeschlagener letzter in der Auswärtstabelle sollte man dabei nicht sein. Und eine ebenso gute Hinrunde spielen. Aber ansonsten ist der FC schon so gut wie Meister. Wie damals.

(Ich bitte diesen unsachlichen Beitrag zu entschuldigen, die doppelte Dosis "Ein dicker Schritt zum Klassenerhalt"-Endorphine ist schuld. Ich guck mir jetzt eine halbe Stunde die Auswärtstabelle der ersten Bundesliga an, das erdet.)

Samstag, 19. März 2011

Eine Trainerdiskussion erreicht den Kölner Stadt-Anzeiger

War ja irgendwie klar. In der Bundesliga wechseln die merkwürdigsten Trainer zu den merkwürdigesten Zeitpunkten zu den merkwürdigsten Vereinen, überall ist Aufregung, Verwirrung, Chaos. Drei Eigenschaften, in denen bislang der 1. FC Köln ziemliche Alleinherrschaft inne hatte. Und nun kommen diese Emporkömmlinge aus München, Gelsenkirchen, Hamburg und Wolfsburg daher und machen dem FC das letzte Gebiet streitig auf dem er noch Nummer 1 ist. So geht das nicht!!!11einself

So oder so ähnlich jedenfalls muss es durch das Hirn der Redakteure des Kölner Stadt-Anzeiger wabern. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass das Blatt seit gestern mittag in drei Artikeln und Kommentaren plötzlich und aus dem Nichts Panik verbreitet.

Der Hintergrund der Sache ist einfach erzählt: Seit seinem Amtsbeginn erzählt Trainer Schaefer wieder und wieder, wenn er gefragt wird, dass sich Verein und er darauf geeinigt hätten, sämtliche Gespräche über die nächste Saison auf jenen Tag zu verlegen, an dem klar ist, in welcher Liga der 1. FC Köln in dieser nächsten Saison spielen wird. Er sagt natürlich: Wenn der Klassenerhalt sicher ist. Meint aber dasselbe. Bis dahin sei, so Schaefer, die Zukunft seiner Person nebensächlich, es gelte jetzt - und eben bis zu jenem Zeitpunkt - volle Konzentration auf die sportliche Situation des FC.

Er sagt dies mit dem selben ernsthaften und aufrichtigen Gesichtsausdruck und mit dem selben klaren Nachdruck in der Stimme mit dem er auch, immer sehr auf den Punkt, die Spiele seiner Mannschaft analysiert. Er meint das so: Erst der Verein, dann ich.

Nun hat der Kölner Stadt-Anzeiger am gestrigen Freitag ein Interview mit Geschäftsführer Horstmann veröffentlicht, in dem dieser, neben allerlei Lob für Schaefer, exakt das selbe sagt: "Vor Weihnachten haben wir in einem Gespräch die Vereinbarung getroffen, dass wir in dieser Saison ein Ziel haben: den Klassenerhalt. Und dass wir, wenn dieses Ziel erreicht ist, über die weitere Zusammenarbeit reden. Es spricht für die vertrauensvolle und zielorientierte Zusammenarbeit aller Beteiligten – seit dem 1. Februar auch von Volker Finke – dass wir das so getan haben. "

Es scheint, als werde ein Traum wahr: Der Verein besinnt sich. Schafft Prioritäten - erst diese Saion in trockene Tücher bringen, dann die nächste Saison angehen. Miteinander am selben Strang ziehen.

Das scheint eindeutig zuviel Harmonie für den Kölner Stadt-Anzeiger zu sein. Das Interview mit Horstmann wird überschrieben mit "Kein Bekenntnis zu Schaefer" - Dass es stattdessen ein klares Bekenntnis dazu gibt, sich an den gemeinsam verabredeten Plan zu halten, wird übersehen.

In einem weiteren Artikel heißt es dann: "Die Trainerdebatte der Bundesliga erreicht auch den 1. FC Köln" - Was allerdings blanker Dummfug ist. Die Trainerdebatte der Bundesliga hat die Redaktion des Kölner Stadt-Anzeiger erreicht, nicht mehr, nicht weniger.

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