[In Search of] Das Konzept
Einen Fußballverein zu führen, und damit ist nur mittelbar der Umgang mit den Mitgliedern und deren Ansprüchen gemeint, ist eine komplizierte Aufgabe und sie wird mit Fortschreiten des Zeitlaufs nicht weniger kompliziert. Im Gegenteil, diese Saison, mit ihren sich in der Tabelle niederschlagenden Kapriolen und den daraus erwachsenen Erwartungen und Forderungen zeigt, dass sich die Anforderungen verändert haben und weitaus komplexer geworden sind.
"Der Erfolg gibt immer recht" ist eine beliebte und natürlich trotz ihrer Klischeehaftigkeit auch heute noch stimmende Fußballfloskel. Ein Verein, dessen Mannschaft die Meisterschaft gewinnt, hat alles richtig gemacht. Gelingt ihm das nur alle zehn Jahre oder gar noch seltener, sowieso. Ein Ausnahmejahr, in dem ein Rädchen ins andere griff, ein Jahr, das in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ein Verein, der häufiger zu höchsten Ehren kommt, in Deutschland wäre das nur der FC Bayern München, braucht wohl möglich mehr als den Titel um zu dem Urteil "Alles richtig gemacht" zu kommen, aber auch da überdeckt dieser Erfolg so manches. Verständlich, schließlich ist es Ziel eines Sportvereins Titel zu gewinnen.
So war es. So ist es nicht mehr.
Wer die Diskussionen der Anhänger kriselnder Vereine in dieser Saison verfolgt hat, bemerkt einen fulminanten Paradigmenzuwachs. Nicht mehr nur der Erfolg und vielleicht als Luxuszusatz noch das attraktive Spiel werden eingefordert und Vereins- sowie Mannschaftsführung daran gemessen, sondern weit mehr als nur das: Ein Konzept muss her.
Macht man sich Gedanken darüber, was genau dieses Wort umschreibt, gerät man jedoch in schwammige Gefilde. Oberflächlich lässt sich noch ein klares und einfaches Ziel formulieren: Der Aufbau einer in sich funktionierenden Mannschaft, die eine bestimmte Art Fußball spielt. Klingt erst mal gut, ist aber bei genauerer Betrachtung nichts neues, im Gegenteil, das ist eine Erkenntnis, die so alt ist, wie der Ball rund ist. Der Trainer baut aus vorhandenem Spielermaterial und seinen Vorstellungen von erfolgreichem Fußball eine Taktik, die dann idealerweise von der Mannschaft Erfolg bringend auf dem Feld umgesetzt wird.
So weit, so alt. Fraglich an dieser Stelle ist nur der Sinn der deutschen Einrichtung eines Managers, der dem Trainer dann gerne Spieler vor die Nase setzt, die dieser partout nicht gebrauchen kann.
Das Konzept aber ist offenbar weit mehr als das. Es umfasst mehr als eine Mannschaft, die über eine, vielleicht zwei Saisons sportlich gut miteinander harmoniert. Eine Spielidee soll entwickelt werden, die unabhängig von den Spielern funktioniert, die mehr ist als bloße Taktik, mehr als eine Frage des Spielsystems, eine Philosophie möglicherweise gar. Sie soll nicht jede zweite Saison gewechselt werden, denn auch die, heutzutage nicht nur weitaus wichtigere, sondern auch viel umfangreichere, Jugendarbeit soll auf sie ausgerichtet werden. Im Idealfall, so der fordernde Fan, soll sie nicht nur Handschrift, sondern auch Aushängeschild des Vereins sein. Und dies über Jahre hinweg.
Eine übergeordnete Idee von Fußball also, der sich alles unterordnet: Spielerauswahl, System, Taktik, Jugendarbeit. Daraus wird schon deutlich, dass diese Philosophie nicht alleine vom Trainer entwickelt werden kann, denn selbst im Erfolgsfall ist ein Verbleiben des Trainers über eine Zeitpunkt, der lang genug ist um zu prägen, nicht garantiert. Und "Beim nächsten Trainer alles anders" ist ja eben genau das, was Das Konzept verhindern soll. Stattdessen muss hinter einem solchen langfristigen Aufbau also die Vereinsführung stehen, namentlich der Sportdirektor, Manager, whatever you name it. Dieser müsste also im Idealfall den passenden Trainer zum passenden Konzept finden. Schwierig genug. Der dann wiederum in Zusammenarbeit mit dem ersten die Spieler, mit denen er zusammenarbeiten kann. Und dies üblicherweise unter nicht einfachen finanziellen Bedingungen.
Aber selbst wenn wir mal annehmen, dass diese formalen Rahmenbedingungen gegeben wären, so kratzt das alles nur an Äußerlichkeiten, eben den Rahmenbedingungen. Was die Heilsversprechung "Das Konzept" ja vor allem in sich birgt, ist Erfolg. Und zwar kein zusammengemauerter und zufälliger, sondern erspielter und geplanter. Kann man sich ein Konzept vorstellen, das nach Rehhagelschen Maximen darauf setzt eine Fußballphilosophie zu etablieren, deren Ziel ist, dass die Null steht und auch ansonsten auf die Defensive als zentrales Moment setzt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass der Sehnsucht nach dem Konzept auch immer der Gedanke an holländisch-katalonisches Totaalvoetbal oder aber wenigstens an gepflegtes und attraktives Kurzpassspiel im Freiburger Stil der Neunziger Jahre anhaftet?
Nehmen wir an, dem wäre so, so muss die Vermutung naheliegen, dass sich hinter der Forderung nach einem Konzept nichts weiter als die ureigenste Hoffnung aller Fußballfans verbirgt: Größtmöglichem Erfolg mit höchst attraktivem Spiel beizuwohnen.
Bezieht man diese Gedanken auf die turbulente erste Bundesliga derzeit, sieht man, dass so manches von diesen theoretischen Gedanken auf der Strecke bleibt: Gewiss, Borussia Dortmund. Das sieht alles recht gut aus: Attraktiver, sehr gut organisierter Fußball, der ohne große Stareinkäufe funktioniert und sehr erfolgreich ist. Aber inwieweit der BVB in der Lage sein wird, aus diesen zarten Anfängen einen dauerhaft auch über die nationalen Grenzen hinweg erfolgreichen Fußball zu entwickeln, steht noch in den Sternen.
Das Negativbeispiel - jedenfalls aus der Bundesligaspitze - stellt hingegen sicher Bayern München dar, fragt man die Anhänger: Kopf- und konzeptlos sei es, Louis van Gaal zu entlassen, klagte so mancher, jedenfalls in den Tagen vor dem verlorenen Champions League Achtelfinale. Ausgerechnet nämlich van Gaal sei der einzige im Verein, der eine Idee habe, einen Plan, ein Konzept eben. Interessant dabei sind zweierlei Dinge: Zum einen wurde van Gaal noch vor nicht allzu langer Zeit vorgeworfen, keinen Plan B zu haben, quasi ein Alternativkonzept. Zum anderen sind die Bayern leidgeprüfte Zeugen, dass ein Konzept nicht alles ist, eine Idee, die weit über taktische Fragen hinaus ging, hatte Jürgen Klinsmann nämlich sehr wohl. Nur mangelte es anscheinend an Fachwissen, dieses auch umzusetzen. In anderen Fällen, Bayern, Wolfsburg und nun auch Schalke 04 können ein Lied davon singen, gibt es noch ganz andere Faktoren, wie zum Beispiel den menschlichen Umgang. Was nützt das beste Konzept, so fern Felix Magath denn eines hatte, wenn binnen kürzester Zeit die Spieler den Aufstand wagen? Und spätestens, wenn die sportlichen Ziele vollends aus den Augen verloren gehen, ob das nun die Nicht-Qualifizierung für einen Europäischen Abstieg sei oder der Abstieg, gibt es hierzulande kaum jemanden, der das Rückgrat hat, am Konzept festzuhalten.
So bleibt alles konfus und weitestgehend konzeptlos. Der Wunsch, die Arbeit der Vereinsführung möge sich ergänzend und befruchtend darstellen, möge einer langfristigen Linie folgen ist verständlich - auch ich hab diese Forderung schon oft genug gestellt, nicht zuletzt hier im Blog. Das dahinter eine nur selten erfüllte Hoffnung auf eine Heilsversprechung steckt, scheint mir nach genauerer Betrachtung allerdings nicht weniger wahrscheinlich.
"Der Erfolg gibt immer recht" ist eine beliebte und natürlich trotz ihrer Klischeehaftigkeit auch heute noch stimmende Fußballfloskel. Ein Verein, dessen Mannschaft die Meisterschaft gewinnt, hat alles richtig gemacht. Gelingt ihm das nur alle zehn Jahre oder gar noch seltener, sowieso. Ein Ausnahmejahr, in dem ein Rädchen ins andere griff, ein Jahr, das in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ein Verein, der häufiger zu höchsten Ehren kommt, in Deutschland wäre das nur der FC Bayern München, braucht wohl möglich mehr als den Titel um zu dem Urteil "Alles richtig gemacht" zu kommen, aber auch da überdeckt dieser Erfolg so manches. Verständlich, schließlich ist es Ziel eines Sportvereins Titel zu gewinnen.
So war es. So ist es nicht mehr.
Wer die Diskussionen der Anhänger kriselnder Vereine in dieser Saison verfolgt hat, bemerkt einen fulminanten Paradigmenzuwachs. Nicht mehr nur der Erfolg und vielleicht als Luxuszusatz noch das attraktive Spiel werden eingefordert und Vereins- sowie Mannschaftsführung daran gemessen, sondern weit mehr als nur das: Ein Konzept muss her.
Macht man sich Gedanken darüber, was genau dieses Wort umschreibt, gerät man jedoch in schwammige Gefilde. Oberflächlich lässt sich noch ein klares und einfaches Ziel formulieren: Der Aufbau einer in sich funktionierenden Mannschaft, die eine bestimmte Art Fußball spielt. Klingt erst mal gut, ist aber bei genauerer Betrachtung nichts neues, im Gegenteil, das ist eine Erkenntnis, die so alt ist, wie der Ball rund ist. Der Trainer baut aus vorhandenem Spielermaterial und seinen Vorstellungen von erfolgreichem Fußball eine Taktik, die dann idealerweise von der Mannschaft Erfolg bringend auf dem Feld umgesetzt wird.
So weit, so alt. Fraglich an dieser Stelle ist nur der Sinn der deutschen Einrichtung eines Managers, der dem Trainer dann gerne Spieler vor die Nase setzt, die dieser partout nicht gebrauchen kann.
Das Konzept aber ist offenbar weit mehr als das. Es umfasst mehr als eine Mannschaft, die über eine, vielleicht zwei Saisons sportlich gut miteinander harmoniert. Eine Spielidee soll entwickelt werden, die unabhängig von den Spielern funktioniert, die mehr ist als bloße Taktik, mehr als eine Frage des Spielsystems, eine Philosophie möglicherweise gar. Sie soll nicht jede zweite Saison gewechselt werden, denn auch die, heutzutage nicht nur weitaus wichtigere, sondern auch viel umfangreichere, Jugendarbeit soll auf sie ausgerichtet werden. Im Idealfall, so der fordernde Fan, soll sie nicht nur Handschrift, sondern auch Aushängeschild des Vereins sein. Und dies über Jahre hinweg.
Eine übergeordnete Idee von Fußball also, der sich alles unterordnet: Spielerauswahl, System, Taktik, Jugendarbeit. Daraus wird schon deutlich, dass diese Philosophie nicht alleine vom Trainer entwickelt werden kann, denn selbst im Erfolgsfall ist ein Verbleiben des Trainers über eine Zeitpunkt, der lang genug ist um zu prägen, nicht garantiert. Und "Beim nächsten Trainer alles anders" ist ja eben genau das, was Das Konzept verhindern soll. Stattdessen muss hinter einem solchen langfristigen Aufbau also die Vereinsführung stehen, namentlich der Sportdirektor, Manager, whatever you name it. Dieser müsste also im Idealfall den passenden Trainer zum passenden Konzept finden. Schwierig genug. Der dann wiederum in Zusammenarbeit mit dem ersten die Spieler, mit denen er zusammenarbeiten kann. Und dies üblicherweise unter nicht einfachen finanziellen Bedingungen.
Aber selbst wenn wir mal annehmen, dass diese formalen Rahmenbedingungen gegeben wären, so kratzt das alles nur an Äußerlichkeiten, eben den Rahmenbedingungen. Was die Heilsversprechung "Das Konzept" ja vor allem in sich birgt, ist Erfolg. Und zwar kein zusammengemauerter und zufälliger, sondern erspielter und geplanter. Kann man sich ein Konzept vorstellen, das nach Rehhagelschen Maximen darauf setzt eine Fußballphilosophie zu etablieren, deren Ziel ist, dass die Null steht und auch ansonsten auf die Defensive als zentrales Moment setzt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass der Sehnsucht nach dem Konzept auch immer der Gedanke an holländisch-katalonisches Totaalvoetbal oder aber wenigstens an gepflegtes und attraktives Kurzpassspiel im Freiburger Stil der Neunziger Jahre anhaftet?
Nehmen wir an, dem wäre so, so muss die Vermutung naheliegen, dass sich hinter der Forderung nach einem Konzept nichts weiter als die ureigenste Hoffnung aller Fußballfans verbirgt: Größtmöglichem Erfolg mit höchst attraktivem Spiel beizuwohnen.
Bezieht man diese Gedanken auf die turbulente erste Bundesliga derzeit, sieht man, dass so manches von diesen theoretischen Gedanken auf der Strecke bleibt: Gewiss, Borussia Dortmund. Das sieht alles recht gut aus: Attraktiver, sehr gut organisierter Fußball, der ohne große Stareinkäufe funktioniert und sehr erfolgreich ist. Aber inwieweit der BVB in der Lage sein wird, aus diesen zarten Anfängen einen dauerhaft auch über die nationalen Grenzen hinweg erfolgreichen Fußball zu entwickeln, steht noch in den Sternen.
Das Negativbeispiel - jedenfalls aus der Bundesligaspitze - stellt hingegen sicher Bayern München dar, fragt man die Anhänger: Kopf- und konzeptlos sei es, Louis van Gaal zu entlassen, klagte so mancher, jedenfalls in den Tagen vor dem verlorenen Champions League Achtelfinale. Ausgerechnet nämlich van Gaal sei der einzige im Verein, der eine Idee habe, einen Plan, ein Konzept eben. Interessant dabei sind zweierlei Dinge: Zum einen wurde van Gaal noch vor nicht allzu langer Zeit vorgeworfen, keinen Plan B zu haben, quasi ein Alternativkonzept. Zum anderen sind die Bayern leidgeprüfte Zeugen, dass ein Konzept nicht alles ist, eine Idee, die weit über taktische Fragen hinaus ging, hatte Jürgen Klinsmann nämlich sehr wohl. Nur mangelte es anscheinend an Fachwissen, dieses auch umzusetzen. In anderen Fällen, Bayern, Wolfsburg und nun auch Schalke 04 können ein Lied davon singen, gibt es noch ganz andere Faktoren, wie zum Beispiel den menschlichen Umgang. Was nützt das beste Konzept, so fern Felix Magath denn eines hatte, wenn binnen kürzester Zeit die Spieler den Aufstand wagen? Und spätestens, wenn die sportlichen Ziele vollends aus den Augen verloren gehen, ob das nun die Nicht-Qualifizierung für einen Europäischen Abstieg sei oder der Abstieg, gibt es hierzulande kaum jemanden, der das Rückgrat hat, am Konzept festzuhalten.
So bleibt alles konfus und weitestgehend konzeptlos. Der Wunsch, die Arbeit der Vereinsführung möge sich ergänzend und befruchtend darstellen, möge einer langfristigen Linie folgen ist verständlich - auch ich hab diese Forderung schon oft genug gestellt, nicht zuletzt hier im Blog. Das dahinter eine nur selten erfüllte Hoffnung auf eine Heilsversprechung steckt, scheint mir nach genauerer Betrachtung allerdings nicht weniger wahrscheinlich.
spielbeobachter - 15. Mär, 17:51