Somewhere between Heaven and Hell
Phrasenschwein I: Alles eine Sache der Perspektive.
Wer sich durch die bundesdeutsche Medien und Blogosphäre liest, an diesem Morgen nach dem entscheidenden Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Ghana, wird jedenfalls am Ende ein anderes Bild haben als derjenige der selbiges bei der internationalen Presse tut.
So hat Jens Weinreich zum Beispiel grausamsten Graupenfußball gesehen, der ihn dermaßen langweilte, daß er umschalten musste. Dunkelste Derwall'sche Zeiten zeigten ihr häßlichstes Antlitz, als die deutsche Fußballnationalmannschaft gelangweilt und ungelenk über den Platz rumpelte, sich vor dem Fußballgott und der Welt blamierte und am End völlig unverdient gewann. Ein Grauen, daß kein Ende nehmen wollte. Schlimmer als Eintracht Trier gegen die SpVgg Unterhaching an einem nasskalten Novembertag, quasi.
So war es, jedenfalls, wenn man Jens Weinreich glaubt. Nicht ganz so extrem, aber in der gleichen Marschrichtung liest es sich vielerorts. Glaubt man hingegen Paul Doyle vom Guardian, so sah man ein "aufregendes (wenn auch leicht fehlerhaftes) Spiel" und "reichlich Unterhaltung von zwei offensiv gesinnten Mannschaften, die allerdings mit ihrer Unfähigkeit den Abschluß zu finden frustrierten". Noch bevor klar war, wer auf England im Achtelfinale treffen würde, konstatierte Doyle, sowohl Deutschland als auch Ghana seien Favoriten, England zu schlagen, sie seien "sicherlich technisch besser und ihr Spiel fließender".
Ja, was nun?
Die Wahrheit - Achtung Phrasenschwein II - liegt vermutlich in der Mitte. Wer nur dann zufrieden ist, wenn die deutsche Nationalmannschaft zauberhaften Kombinationsfußball spielt, wird arg enttäuscht sein von der gestrigen Vorstellung. Allerdings: Diese Enttäuschung wird dann wohl eine lebenslange sein. Und hat wohl mehr mit eigenen, irrealen Träumereien zu tun als mit der Realität.
Ohne Frage litt das deutsche Spiel gestern, wie auch schon gegen Serbien, an mangelnder Präzision im Passspiel, zuviele Angriffe blieben Stückwerk, weil Pässe schludrig und unkonzentriert gespielt wurden.
Abgesehen von seinem wunderschönen Tor blieb Özil, ebenfalls wie schon gegen Serbien, weit unter dem, was er gegen Australien bot - im Gegensatz zum Serbienspiel allerdings hätte er durchaus den Platz zu mehr gehabt. Podolski steckt in der Zwickmühle zwischen Position halten und nichts vom Spiel mitbekommen, da das deutsche Spiel ausschließlich über die rechte Seite läuft, oder in die Mitte ziehen - was ihm gegen Serbien einige Chancen brachte, dafür aber auch vernichtende Kritik, weil er seine Position nicht hielt. Cacau zeigte gestern taktisch ein ziemlich dürftiges Spiel, in einem System mit nur einer richtigen Spitze permanent den gegnerischen Strafraum verwaisen zu lassen, ist fahrlässig. Khedira blieb im besten Falle blaß, was man von Per Mertesacker leider nicht sagen kann, zum wiederholten Mal war der Bremer der größte Problemfall in der deutschen Abwehr.
Aber es gab auch Gutes zu sehen: Gegen die sehr athletische und spielstarke ghanaer Mannschaft konnte die deutsche Elf gut gegen halten. Bastian Schweinsteiger machte vor allem in der ersten Halbzeit ein extrem gutes Spiel im defensiven Mittelfeld, stellte Räume zu und fing ab, was abzufangen war. Arne Friedrich spielte nahezu fehlerlos und scheint sich mehr und mehr zum sicheren Fels in der Brandung zu entwickeln. Manuel Neuer konnte endlich mal zeigen, daß er nicht nur zum Zugucken und Bälle-aus-dem-Netz holen mitgekommen ist und machte dies, abgesehen von einem untersprungenen Eckball, gut.
Vom bisher Gebotenen ausgehend, treffen am Sonntag im Achtelfinale zwei Mannschaften auf Augenhöhe aufeinander. England hat das reifere Personal, aber konnte selbst im guten Spiel gegen extrem harmlose Slowenen den Druck nicht aufrechterhalten und zitterte sich gen Ende dem Sieg entgegen. Aber eigentlich ist es auch wurscht, wer das Achtelfinale gewinnt. Wenn alles gut geht, wartet dann auf den Sieger Argentinien und dann heißt es eh Schluß mit lustig, respektive Over and out.
Wer sich durch die bundesdeutsche Medien und Blogosphäre liest, an diesem Morgen nach dem entscheidenden Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Ghana, wird jedenfalls am Ende ein anderes Bild haben als derjenige der selbiges bei der internationalen Presse tut.
So hat Jens Weinreich zum Beispiel grausamsten Graupenfußball gesehen, der ihn dermaßen langweilte, daß er umschalten musste. Dunkelste Derwall'sche Zeiten zeigten ihr häßlichstes Antlitz, als die deutsche Fußballnationalmannschaft gelangweilt und ungelenk über den Platz rumpelte, sich vor dem Fußballgott und der Welt blamierte und am End völlig unverdient gewann. Ein Grauen, daß kein Ende nehmen wollte. Schlimmer als Eintracht Trier gegen die SpVgg Unterhaching an einem nasskalten Novembertag, quasi.
So war es, jedenfalls, wenn man Jens Weinreich glaubt. Nicht ganz so extrem, aber in der gleichen Marschrichtung liest es sich vielerorts. Glaubt man hingegen Paul Doyle vom Guardian, so sah man ein "aufregendes (wenn auch leicht fehlerhaftes) Spiel" und "reichlich Unterhaltung von zwei offensiv gesinnten Mannschaften, die allerdings mit ihrer Unfähigkeit den Abschluß zu finden frustrierten". Noch bevor klar war, wer auf England im Achtelfinale treffen würde, konstatierte Doyle, sowohl Deutschland als auch Ghana seien Favoriten, England zu schlagen, sie seien "sicherlich technisch besser und ihr Spiel fließender".
Ja, was nun?
Die Wahrheit - Achtung Phrasenschwein II - liegt vermutlich in der Mitte. Wer nur dann zufrieden ist, wenn die deutsche Nationalmannschaft zauberhaften Kombinationsfußball spielt, wird arg enttäuscht sein von der gestrigen Vorstellung. Allerdings: Diese Enttäuschung wird dann wohl eine lebenslange sein. Und hat wohl mehr mit eigenen, irrealen Träumereien zu tun als mit der Realität.
Ohne Frage litt das deutsche Spiel gestern, wie auch schon gegen Serbien, an mangelnder Präzision im Passspiel, zuviele Angriffe blieben Stückwerk, weil Pässe schludrig und unkonzentriert gespielt wurden.
Abgesehen von seinem wunderschönen Tor blieb Özil, ebenfalls wie schon gegen Serbien, weit unter dem, was er gegen Australien bot - im Gegensatz zum Serbienspiel allerdings hätte er durchaus den Platz zu mehr gehabt. Podolski steckt in der Zwickmühle zwischen Position halten und nichts vom Spiel mitbekommen, da das deutsche Spiel ausschließlich über die rechte Seite läuft, oder in die Mitte ziehen - was ihm gegen Serbien einige Chancen brachte, dafür aber auch vernichtende Kritik, weil er seine Position nicht hielt. Cacau zeigte gestern taktisch ein ziemlich dürftiges Spiel, in einem System mit nur einer richtigen Spitze permanent den gegnerischen Strafraum verwaisen zu lassen, ist fahrlässig. Khedira blieb im besten Falle blaß, was man von Per Mertesacker leider nicht sagen kann, zum wiederholten Mal war der Bremer der größte Problemfall in der deutschen Abwehr.
Aber es gab auch Gutes zu sehen: Gegen die sehr athletische und spielstarke ghanaer Mannschaft konnte die deutsche Elf gut gegen halten. Bastian Schweinsteiger machte vor allem in der ersten Halbzeit ein extrem gutes Spiel im defensiven Mittelfeld, stellte Räume zu und fing ab, was abzufangen war. Arne Friedrich spielte nahezu fehlerlos und scheint sich mehr und mehr zum sicheren Fels in der Brandung zu entwickeln. Manuel Neuer konnte endlich mal zeigen, daß er nicht nur zum Zugucken und Bälle-aus-dem-Netz holen mitgekommen ist und machte dies, abgesehen von einem untersprungenen Eckball, gut.
Vom bisher Gebotenen ausgehend, treffen am Sonntag im Achtelfinale zwei Mannschaften auf Augenhöhe aufeinander. England hat das reifere Personal, aber konnte selbst im guten Spiel gegen extrem harmlose Slowenen den Druck nicht aufrechterhalten und zitterte sich gen Ende dem Sieg entgegen. Aber eigentlich ist es auch wurscht, wer das Achtelfinale gewinnt. Wenn alles gut geht, wartet dann auf den Sieger Argentinien und dann heißt es eh Schluß mit lustig, respektive Over and out.
spielbeobachter - 24. Jun, 10:49
Ghana war sicher der bisher stärkste Gegner, gerade in der Defensive, Özil und Co. hatten wenig Platz und Zeit, ihre Kombinationen aufzuziehen. Der Mangel an Präzision war allerdings teilweise frappierend. Mit Klose haben wir gegen England dann aber wieder einen Stürmer, den man einerseits flach in den Fuß anspielen und andererseits (anders als Cacau) auch mit Flanken bedienen kann.
Defensiv hätte gegen eine stärkere Mannschaft viel schiefgehen können, vor allem Per Mertesacker fiel negativ auf, es steht zu hoffen, dass er sich wieder findet, er kann es ja besser. Friedrich hingegen ist für mich die große Überraschung bisher: unaufgeregt, zweikampfstark, souverän: so soll ein Innenverteidiger spielen.
Ich freue mich jetzt auf das Achtelfinale und auf alles, was noch so kommt.