Nordbergh (Gast) - 16. Mai, 14:12

Der Schwarze Peter wird wieder gewinnen

Verehrter Herr Spielebeobachter, wie nicht anders zu erwarten wieder ein höchst lesenswerter Artikel. Doch in einem Punkt musste ich geradezu aufstoßen - es geht um den von Dir angemahnten Ruf "nach einem selbstauferlegten Ethos der Fußballzuschauer". Ich bin sicher, das Prinzip der menschlichen Evolution ist dafür einfach nicht ausgelegt. Das scheint mir eine Utopie.
Einen anderen Punkt kann ich etwas mehr aber nur zum Teil nachvollziehen. Es geht um die Zusammenhänge der jüngsten Platz- und Bengalo-Aktionen mit den dahinter steckenden unterschiedlichen Motivationen. Darin mag viel Richtiges stecken, doch wenn solche Horden (bewusst gewählt) den Platz stürmen, dann ist a) die Motivation nicht immer sofort erkennbar und b) für Spieler und Angehörige der Mannschaften auf dem Platz wahrscheinlich auch vollkommen egal - und das zu Recht! Ich habe noch die Bilder aus Frankfurt im Kopf - Fans, die mit Holzlatten wild um sich schlugen. Da darfst du dich als sportlich Verantwortlicher vor Ort gar nicht die Zeit zur Hinterfragung nehmen.

Ich sehe das Problem weniger in mangelnder Differenzierung in den Medien. Differenzierung ist nicht genügend vermarktungsfähig. Ich wähne das Problem vor allem bei den Vereinen, die sich mit himmelschreienden Phrasen wie "das sind nicht unsere Fans" oder "es kann nicht sein, das... " stets jeder Verantwortung und jeden nachhaltigen Handelns entziehen. Stadionverbote und Vereinsausschlüsse sind Maßnahmen, die sich von Vereinen durchaus umsetzen ließen, wenn man es wollte!! Der 1. FC Köln hat sich noch vor Kurzem damit gebrüstet seit über 20 Jahren niemanden aus dem Verein ausgeschlossen zu haben. (Bin Mitglied und Fan des FC, wie Du weist.) Mein Eindruck ist, die Vereine versuchen mit Aktionismus, wie Entzug von Fanclub-Privilegien, nach Außen tatkräftig zu wirken, wollen sich aber überhaupüt nicht von solchen Fans trennen. Sie müssten nämlich mit offenem Widerstand rechnen und das scheuen alle, wie der Teufel das Weihwasser.
Statt dessen hört man z. B: in den neuen... neueren Bundesländern schon mal von Perspektivlosigkeit und gesellschaftlichen Problemen, die der Gewaltbereitschaft in Stadien Vorschub leisten sollen. Na klasse: Da haben wir jetzt also einen Schwarzen Peter, der in den nächsten Jahrzehnten wunderbar weitergeschoben werden kann.
Ich bin seit 1999 (bis derzeit Winter 2011/2012) ziemlich regelmäßig im Stadion und ich teile die Beobachtung zunehmender Aggressivität und zunehmender Bengalo-Affinität. Was Letzteres angeht: Sind Bengalos Kulturgut? Lässt sich Feuer in einem gefüllten Zuschauerbereich "kontrolliert" abbrennen? MUSS das sein? - Nein. Nein und Nein. Messer, Gabel, Schere Licht... besser ist es. Die Gas-Tröten sind auch verbannt worden und das a) zu recht und b) ohne, dass sie wahrnehmbar vermisst werden. Bengalos gehören raus.

Ich fürchte, der Deutsche Fußball bzw. die Vereine werden den Punkt, an dem sie nachhaltig eingreifen könnten um Jahre verpassen. Es muss erst Opfer geben, dann müssen sich erst wieder Politiker profilieren und ganz zum Schluss erst wird Zeit für die vernünftigen, differenzierenden und kompetenten Leute Platz da sein, um etwa zu bewegen. Meiner unwichtigen Einschätzung nach wird das etwa im 22. Jhr. passieren.
Mit besten Grüßen ;-)

spielbeobachter - 16. Mai, 14:56

Nun

ganz offensichtlich halte ich einen selbstauferlegten Ethos nicht für völlig utopisch. Das muss gewollt sein, klar, und auch konsequent durchgezogen werden. Aber wenn, gerade in den Kurven, eine Stimmung vorherrscht, dass das da "unser Rasen ist, der heilig ist und nicht von niemandem betreten oder beschmutzt werden darf", dann kann das gehen.
Und ich glaube, dass das nur so gehen kann. Von Stadionverboten halte wenig bis gar nichts, weil die Vergangenheit einfach sehr deutlich gezeigt hat, dass weder die DFL, noch die Vereine, noch die Polizei in der Lage sind - oder willens sind - mit diesem Instrument in einer Art und Weise umzugehen, die mit einem demokratischen Rechtsstaat vereinbar wäre. So gut funktioniert die Überwachung dann nämlich doch noch nicht, bzw. interessiert nicht, jedenfalls muss man zu dem Schluß kommen, wenn man weiß, dass es unzählige Menschen gibt, die über Jahre kein Stadion in Deutschland betreten dürfen, weil sie neben jemand gestanden haben, der irgendwas illegales tat, und sei es friedlich einen Joint geraucht hat. Summasumarum: Stadionverbote funktionieren nicht, jedenfalls wenn wir an Fußballstadionbesucher mit den gleichen rechtsstaatlichen Maßstäben messen wollen wie alle anderen Menschen.

Und doch, die Differenzierung ist dringend notwendig. Ich hätte jedes Verständnis, wenn die geworfenen Bengalos diese Schlagzeilen heute verursacht hätten, aber nicht dass der verfrühte Freudenplatzsturm als "Randale, Gewalt und Blutbad" beschrieben wird. Das ist schlichtweg an der Wahrheit vorbei gelogen. Natürlich hast Du recht: In der Situation gestern war es für die Verantwortlichen nicht zu überblicken, was da jetzt geschehen würde, aber in der Nachbetrachtung darf ich schon ein wenig mehr Analysefähigkeit von Journalisten und Funktionsträgern erwarten. Ich empfehle dazu das vom Kicker weiter unten aufgeführte Zitat von Fanforscher Pilz: http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/569121/artikel_schickhardt_mit-todesangst-leichenblass-in-der-kabine.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#omrss_news_fussball

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