Mittwoch, 18. Mai 2011

Die Metamorphose eines Artikels

Irgendwie werd ich sie nicht los, die Rolle als Medienkritikaster. Dabei hab ich nun schon oft genug hier und vor aller Welt Besserung gelobt. Aber die folgende kleine Geschichte ist eigentlich zu schön, um sie unerwähnt zu lassen.

Gestern berichtete ich von der Vorstellung des neuen Trainers des 1. FC Köln, Ståle Solbakken. Nachdem ich meinen kleinen, schlurchigen Eindruck abgeschickt hatte, warf ich einen schnellen Blick in die Medienlandschaft, um zu sehen, welche Reaktionen dort zu lesen seien. Dabei fiel mir, wie ich dann auch in einem P.S. zu meinem Artikel erwähnte, in einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers folgender Satz auf: "Auch von der ansässigen Presse hat Solbakken laut eigenen Angaben viel Gutes gehört".

Ein Hohn, dieser Satz, denn jedem Menschen mit einem Hauch von Wissen über die Geschichte des 1. FC Köln und seinem Verhältnis zu den Kölner Medien war klar, dass Solbakkens lachend vorgetragenes Statement ("The way Cologne sold the club to me was very, very honest, they said that the press here was very very nice") nichts weiter als gutgelaunte Ironie war.

Nun gut. Die Kölner Presse verkauft einen ironischen Seitenhieb als ernsthaftes Lob. Darüber kann man sich ein wenig aufregen, muss man aber nicht. Es gibt Wichtigeres.

Doch offenbar war ich nicht der Einzige, dem dieser Satz aufstieß, in verschiedenen Foren wurde darüber geschrieben und vor allem: Unter dem Artikel fanden sich Kommentare, die sich kritisch mit ihm auseinandersetzten.

Irgendwann im Verlauf des gestrigen Tages oder Abends verschwand dann dieser Artikel und an seiner statt erschien ein neuer Artikel mit dem Titel "Stale Solbakken stellt sich vor" - allerdings unter dem gleichen Link zu erreichen, was bedeutet, dass die sich auf die merkwürdige Interpretation des Solbakkenschen Satz beziehenden Kommentare weiterhin lesbar sind.

Oder besser: waren. Heute morgen nämlich passiert zweierlei: Zum Ersten kommentiert der Kölner Stadtanzeiger seinen eigenen Artikel in Bezug auf die kritischen Kommentare und bittet die Leser "die tatsächlichen Zusammenhänge zu prüfen, bevor Sie unseren Autor diffamieren", der Artikel sei nämlich gar nicht von einem Redakteur des Hauses, "dieser Artikel war der Text einer Presseagentur, wie Sie im Kürzel am Ende des Artikels erkennen konnten." Abgesehen davon, dass der interessierte Leser nichts mehr erkennen kann, da der ursprüngliche Artikel verschwunden war - googelt man den Satz, um den es geht, nämlich "Auch von der ansässigen Presse hat Solbakken laut eigenen Angaben viel Gutes gehört", so findet man Links zum Kölner Stadtanzeiger sowie zu diversen Foren und diesem kleinen Blog hier. Mit anderen Worten: Handelte es sich um den "Text einer Presseagentur", so war offensichtlich außer der größten seriösen Zeitung vor Ort niemand im ganzen weit(entfernt)en Land der Meinung diesen übernehmen zu müssen. Hm. Hm.
Zum zweiten - rund zwei Stunden später - verschwindet der neue Artikel "Stale Stolbakken stellt sich vor" aus dem Internetauftritt des Kölner Stadtanzeiger (ist allerdings noch über den von mir angegebenen Link auffindbar und auch, wenn man explizit nach dem Titel sucht, über die Suchmaske der Zeitung zu finden) und wird durch den Artikel "Deutsch als erste Verpflichtung" ersetzt. Dieser ist hundertprozentig deckungsgleich mit seinem Vorgänger, nur der Link und der Titel ist ein anderer. Und, huch, die kritischen Kommentare sind auch verschwunden, die stehen ja schließlich unter dem alten Artikel.

Qualitätsjournalismus, altes Haus, sag mal, brauchst Du mal ein bisschen Nachhilfe?

So, und nun wieder zu Wichtigerem.

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