Sonntag, 14. März 2010

"Diese sogenannten Fans"

Nach dem gestrigen Platzsturm des Berliner Publikums bei der möglicherweise alles entscheidenden Niederlage gegen den Club aus Nürnberg lesen sie sich mal wieder überall: Die Worte von den "sogenannten Fans". Jene sind gemeint, die sich in blinder Wut und fehlgleiteten Enttäuschung mit Plastikfahnenstöcken bewaffneten, den Sicherheitsgraben überwunden und den Innenraum stürmten.

Dieses "sogenannt" soll, das brauche ich niemandem, der einigermaßen lesen kann, sagen, vor allem eines implizieren: Richtige Fans sind das nicht. Richtige Fans feuern ihre Mannschaft an, sind leidenschaftlich, pfeifen vielleicht auch mal, wenns nicht läuft und das zur (Un)Kultur des Vereines dazugehört, aber gewaltsam sind sie nicht. Das hier aber sind nur verkleidete Gewaltbereite, die nur so tun, als wären sie Fans.

Das ist Unsinn. Leider.

Die hundert Jungs (ich vermute mal, daß es sich in erster Linie um männliche Anhänger Herthas handelte), die da gestern in zweifelsfrei vollkommen dämlicher Art und Weise auf sich aufmerksam machten, sind genau die, die sonst ihren Verein anfeuern, leidenschaftlich unterstützen oder eben auspfeifen (was natürlich das genaue Gegenteil von Unterstützung ist). Sie sind Fans. Keineswegs handelt es sich um untergeschmuggelte, als Fußballfans verkleidete Kuckuckseier.

Natürlich ist der Umkehrschluß nicht zulässig: Nicht jeder fanatische Unterstützer eines Vereines findet kein anderes Mittel, auf das Gefühl der ohnmächtigen Enttäuschung mit Gewalt zu reagieren. Insofern ist es durchaus legitim, darauf hinzuweisen, daß nicht alle Menschen, die regelmäßig ein Fußballstadion ihrer Wahl aufsuchen, zu blindwütiger Gewalt neigen. Das aber macht aus jenen, die es tun, noch lange keine Nicht-Fans.

Auch wenn das, was da gestern im Olympiastadion geschah, in dieser Form bislang einmalig ist, so ist es doch nur eine Zuspitzung von Alltäglichem: Jedes Wochenende reklamieren Fußballfans lautstark das Recht auf Erfolg ihrer Mannschaft, fordern die Befriedigung des eigenen Egos durch erfolgreichen Fußball ihrer Mannschaft. Ob das eher harmloses Auspfeifen der eigenen Mannschaft ist, oder das Fordern von rollenden Köpfen hinterher, ob es der inzwischen leider recht weit verbreitete Slogan "Wenn ihr absteigt, schlagen wir Euch tot" ist - Daß die Massen auf den Rängen ohne zu zögern ihrer eigenen Mannschaft die Unterstützung entziehen und mit Gewalt - egal ob verbaler oder physischer Natur - drohen, so ihr Ansinnen nicht erfolgreich in die Tat umgesetzt wird, ist keineswegs unüblich und ganz gewiß nicht die Folge untergeschmuggelten Kuckuckseier, wie es die Formulierung von den "sogenannten" suggerieren will.

Ein paar Klarstellungen: Keineswegs möchte ich gutheißen, was da gestern geschah. Ich kenne tiefste Enttäuschung durch meinen Verein - ich bin effzeh Fan, natürlich kenne ich die - aber all das, sei es das Auspfeifen, sei es der oben genannte Slogan oder gar solche Aktionen wie die gestern, war mir schon immer und wird mir immer völlig unverständlich bleiben. Denn mit Unterstützung des eigenen Vereins hat es nie zu tun.
Und: Es geht mir mitnichten darum, zu kriminalisieren. Wenn ich sage: Auch jene die da gestern den Platz stürmten, sind Fußballfans, ganz ohne das "sogenannte", will ich damit nicht zu stärkeren Sanktionen allen Fußballfans gegenüber aufrufen.

Die Befriedigung des eigenen Egos, nannte ich es weiter oben, und ich denke, da ist der Hase im Pfeffer begraben. Wer das Gefühl hat, sich tagein, tagaus für seinen Verein aufzuopfern und nicht in der Lage ist, zu abstrahieren, weil er es nicht gelernt hat, muß den Misserfolg, insbesondere wenn er so massiv daherkommt wie in Herthas Fall, als persönlichen Affront begreifen. Kommt dann noch zu der Abstraktionsunfähigkeit das Unvermögen, die Enttäuschung durch den als persönlichen Angriff verstandenen sportlichen Misserfolg in Bahnen zu kanalisieren, die nicht in Gewalt münden, kommt das heraus, was wir da gestern sehen konnten.

Fußballfans sind sie trotzdem. Ob einem das gefällt oder nicht.

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